Seite - 115 - in »Die Donau ist die Form« - Strom-Diskurse in Texten und Bildern des 19. Jahrhunderts
Bild der Seite - 115 -
Text der Seite - 115 -
115Anfänge
der Dampfschifffahrt
Caledonia, das erste Dampfschiff, das 1817 den Rhein hinauffuhr, die Prinzessin
Charlotte von Preußen in Berlin, die Weser in Bremen. Die in Birmingham produ-
zierten Dampfmaschinen haben am Anfang des 19. Jahrhunderts recht eigentlich
den Durchbruch des neuen Verkehrsmittels gebracht.
Obwohl es seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts im Habsburgerreich
immer wieder Versuche gab, durch die Förderung von neuen Erfindungen, vor
allem auch von Feuermaschinen, die Schifffahrt auf der Donau zu modernisie-
ren, ist es bemerkenswert, dass schließlich doch die Übernahme einer in England
längst vorhandenen Technologie zum Erfolg führte, zu einem Zeitpunkt, als die
meisten amerikanischen, aber auch viele europäischen Flüsse und Gewässer (so
etwa die Themse, die Elbe, der Rhein, der Bodensee, der Po, die Oder, die Adria,
die englische und die Nordseeküste) schon längst mit Dampf befahren wurden
und, wie eine technikgeschichtliche Arbeit aus dem Jahre 1928 unterstreicht,
selbst auf dem Ganges (1828) schon Dampfschiffe verkehrten. Der verhältnismä-
ßig späte Anfang der Donau-Dampfschifffahrt dürfte nicht nur damit zu erklä-
ren sein, dass die Feuermaschine selbst gewöhnungsbedürftig war und ohne ihre
»Normalisierung« auch an ein zahlungsfähiges Schiffspublikum gebrach,58 son-
dern auch damit, dass jene transportierbaren Technologien, die bei dem techni-
schen Erfolg der DDSG so entscheidend waren, erst im Laufe der 20er Jahre sich
über den Kontinent verbreitet haben. Soweit man den Fall von Anton Bernhards
Dampfschiffunternehmen anhand von Béla Jankós Studie verfolgen kann, fällt es
auf, dass es bei diesem ersten Unternehmen nicht nur an der politischen Unter-
stützung und auch nicht nur an Kapital gebrach, sondern auch an einem techno-
logischen Hintergrund, der eine zügige Verbesserung der Fehler und eine Ver-
vollkommnung des Modells ermöglicht hätte.59
Insofern erscheint die Frage eines Aufsatzes, der 1928 in den Beiträgen zur
Technikgeschichte aus Anlass des 100jährigen Jubiläums der DDSG erschienen ist,
nicht unberechtigt: Warum war es notwendig, so lange mit eigenen Erfindungen
zu experimentieren und ausländische Angebote abzuwehren, wenn es letztend-
lich doch nur das Standardmodell von Boulton, Watt & Co. war, das übernom-
men wurde?60
58 »Mit dem technischen Fortschritt musste sich daher auch die Einstellung der brei-
ten Masse zu dem neuen Verkehrsmittel ändern, ansonsten wäre der wirtschaftliche
Erfolg ausgeblieben.« Cf. Göbl: Die Anfänge der Dampfschifffahrt, p. 6.
59 Jankó: A gőzhajózás kezdetei.
60 »Es wäre sicherlich der Sache weit förderlicher gewesen, hätte man sich unter Ver-
zicht auf jede Originalität darauf beschränkt, Fultons Erfindung, die durch Patente
in Österreich nicht geschützt war, nachzubauen.« Winiewicz: Die Anfänge der
Dampfschiffahrt, p. 77.
zurück zum
Buch »Die Donau ist die Form« - Strom-Diskurse in Texten und Bildern des 19. Jahrhunderts"
Inhaltsverzeichnis
- Postmoderne Traditionsentwürfe bei Claudio Magris und Péter Esterházy 11
- Magris: Der Fluss aus dem Wasserhahn 13
- Esterházy: P. E. – c’est moi 15
- Die »Erfindung einer Tradition« 18
- Donau-Schrifttum im 19. Jahrhundert 18
- Geschichte und Natur – Modelle einer Beziehung 23
- Die »Eroberung der Natur« oder eine »friedliche [...] Mission«? 27
- Die Rede über die Donau im 19. Jahrhundert: Majestät im
- Bettlergewand 31
- Ansatzpunkte zu einer Geschichte der Donauregulierung im 19. Jahrhundert 34
- Regulierungsdispositiv und Regulierungsdiskurs 40
- Staat und Regulierung 41
- Regulierungsmacht und Kultivierungsauftrag 41
- Zentralistischer Staat und Verkehrsförderung 44
- Wasserstraße und Eisenbahn – Konkurrenz von Technologien 44
- Gewässerregulierung und Wasserstraßennetz im Habsburgerstaat des 18. Jahrhunderts 45
- Konzepte der Donauregulierung im 19. Jahrhundert 47
- Nachschublinien 52
- Regulierungsvorhaben des 19. Jahrhunderts – Überblick und Fallbeispiele 54
- Die »Verbesserung« der Donaulandschaft im 19. Jahrhundert 54
- Die Donau als Ganzes 55
- Die große Donauregulierung in Wien: Lokales versus Globales 56
- Die große Donauregulierung bei Wien: Vorrang der Interessen der Schifffahrt 57
- Diskussionen um die große Donauregulierung bei Wien 62
- Das Eiserne Tor 64
- Rechtliche Grundlagen 67
- Technische und Finanzierungsschwierigkeiten 70
- Folgen der Regulierung 72
- Zusammenfassung 74
- Reales und Imaginäres 76
- Diskurs(e) und Regulierung 80
- »durch Gehorsam besiegen« 80
- »von der Natur selbst vorgezeichnet« 81
- Die natürliche Wasserstraße, Regulierung als Disziplinierung 82
- Das Paradies der Auwälder 84
- Das ökonomische Moment 87
- Zirkulation 88
- Wasserstraßen, Warenflüsse, Menschenströme 91
- Lebensader der Monarchie 91
- Belebungs- und Störfaktoren 96
- Zusammenfassung 99
- Die Feuersäule des Weltverkehrs 101
- Reisen unter Dampf 103
- Das Dampfschiff 103
- Anfänge der Dampfschifffahrt – »eigentlich sogenannte Dampfschiffe« und Donaudampfschiffe 106
- Die Etablierung der Dampfschifffahrt auf der Donau 116
- Altes und Neues 117
- Die Donau als »Welthandelsstrasse« 120
- Monopole 124
- Zusammenfassung 124
- A Steam Voyage down the Danube 126
- Die Wahrnehmung einer Einheit 127
- Reiseberichte über die ersten Dampfschifffahrten auf der unteren Donau 1835 bis 1845 130
- Britische und deutsche Perspektiven 138
- Annäherung en gros und en détail 140
- Erwartung und Erfahrung 144
- »Watt’s und Fulton’s titanische[.] Erfindung« 148
- Gleiten, Sehen, Panorama 152
- Zusammenfassung 154
- Die Erfindung des Donauraums 155
- Raumsoziologische Begrifflichkeiten 158
- Topologische Modelle 161
- Imaginierte Geografien 162
- Balkanismus und Donauraum 166
- Mitteleuropa und Donauraum 168
- Band zwischen Okzident und Orient 177
- Das Entdeckungsszenario 179
- Todesfluss – Alexander Kinglake 184
- Aus dem Garten in die Wildnis 188
- Zusammenfassung 194
- Die Donau als Landschaft – Sicht und Übersicht 197
- Reisen beschreiben – Beglaubigungsstrategien des Authentischen 200
- Schreiben, Lesen, Reisen – Apodemiken 201
- Das »subjektive« Reisen 203
- Reiseliteratur als Werkstatt und als Fabrik 207
- Reisebewegung, Blicke und Räume 208
- Bürgerliche Reise und Territorium 209
- Donaufahrten auf dem Papier 210
- Das Gebot der Visualisierung 213
- Sehen was nicht (mehr) zu sehen ist 214
- Landschaft als Bild 217
- Natur als Landschaft 218
- Raumbeschreibung und Raumschöpfung in der Literatur 221
- Wandel der Wahrnehmungsstrukturen 223
- Die »malerische Donaureise«. Kanonisierung von Bildserien 225
- Mappenwerke und illustrierte Reisebeschreibungen 229
- Neue Vervielfältigungstechniken – Lithografie, Stahlstich, Fotografie 251
- Prachtbände: Enzyklopädische illustrierte Wanderungen 257
- Reise quer durch das Quellenmaterial 258
- Literatursoziologische Kontexte 261
- Wort und Bild 263
- Das Malerische in der (Reise-)Literatur 265
- Das Gemälde der Natur 266
- Malen im Kopf 268
- Blickregie 269
- Zeichner und Reiseschreiber: Felix Philipp Kanitz 273
- Der bereiste Raum 274
- Die Reise auf dem Papier 276
- Bedeutung von Karten, Bildern und Panoramen 278
- Was die Karte nicht fasst 280
- Die Sichtbarwerdung einer Region 282
- Zusammenfassung 283
- v. Historisierung der Donau-Landschaft 285
- Optische Inszenierung einer historischen Landschaft 287
- Himmelsdom und Ruhmeshalle: Der Blick von der Walhalla 292
- Historische Narrative 298
- Geschichtsfluss, Erzählfluss 298
- Schleifen und Linien in der Zeit 300
- Reise als Form der Geschichte 302
- Geschichte aus der Erdoberfläche 305
- Der geschichtsträchtige Fluss 308
- »Das Alpha und Omega Österreichs« 311
- Rhein – Donau: literarische Parallelen 311
- Der Strom einer deutsch-österreichischen Kulturmission 314
- Historische Donaureisen: Der große Schwabenzug 317
- Die historische Performance der ungarischen
- Milleniumsausstellung 324
- Die Millenniumsfeier 1896 – konfligierende Konzepte 326
- Die Welt als Kulisse in der Millenniumsfeier 330
- Vollzug und Übertragung in der Feier 332
- Landnahme und Landkörper 333
- Nationales Territorium als Echo- und Theaterraum 335
- Inszenierungen der Stromregulierung 1896 336
- Mediale Aufbereitung des Eisernen Tores 337
- Die Eröffnungszeremonie 338
- Auslegungen der Feier 339
- Tausendjahre-Symbolik: Eingemeindung und Ausgrenzung 340
- Tor und Epochenschwelle 342
- Zusammenfassung 343
- Topik und Topographie der Schwelle 345
- Schwellenkunde 346
- Das Eiserne Tor – widersprüchliche Einschreibungen 346
- Topoi der Eisernen-Tor-Regulierung 351
- Die Insel an der Grenze: Ada Kaleh 356
- Das Eiserne Tor als literarische Heterotopie 362
- Raumzeit 365
- Topik der Insel an der Grenze 367
- Eine Insel, zwei Inseln 368
- Die Utopie der Niemandsinsel 369
- Reisen horizontal und vertikal 371
- Navigieren, Steuern, Schreiben 373
- Stromerzählungen 375
- Die Lesbarkeit der Schöpfung 380
- Zirkulation der Zeichen 381
- Gattungsdilemmata der Literaturgeschichte 383
- Navigieren – erzählen 384
- Zusammenfassung 388
- Resumee 389
- Literaturverzeichnis 391
- 1) Quellen 391
- 2) Literarische, philosophische und publizistische Referenztexte 403
- 3) Forschungsliteratur 406
- 4) Nachschlagwerke, Lexika 426
- Abbildungsverzeichnis 427
- Personenregister 430
- Sachregister 439