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132 3 Staat
Nachdem der Staat digitale Spuren und Profile im Netz bereits in der jüngeren Ver-
gangenheit immer umfassender nachvollziehen konnte – zum Beispiel über einen
ID-Card-Registrierungszwang in den sozialen Medien –, will er das Konzept des glä-
sernen Bürgers wie auch des gläsernen Unternehmens nunmehr „vervollkommnen“.
Alibaba beispielsweise häuft mit seinem „Sesame Credit“ wertvolle Big-Data-Vorräte
zum privaten Finanz- und Konsumverhalten, aber auch über andere soziale Verhal-
tensweisen im weitesten Sinne an, mit denen künftig auch, aber nicht nur über
Kreditanträge von Bürgern entschieden werden kann (vgl. Hatton 2015). Es gibt
Pilotprojekte wie das der Stadt Rongcheng in der Shandong-Provinz, wo für ein Bür-
ger-Rating jegliche Aktivitäten seiner Einwohner erfasst werden. Hier fließen auch
etwa kritische Äußerungen in den sozialen Medien mit ein. Diese Ratings sind schließ-
lich die Grundlage für ein Auf- oder Abstufen des Bürger-Status und damit verbun-
dener Privilegien oder Sanktionen. Strafen bestehen beispielsweise darin, keine Flug-
tickets zu bekommen oder nicht ausreisen zu dürfen (vgl. Strittmatter 2017).
Auch für in- und ausländische Unternehmen vergrößert sich der Grund zur Sorge:
alles wird registriert und gespeichert. Bei negativen Informationen können Unterneh-
men von staatlichen Ausschreibungen ausgeschlossen bleiben, oder dringend not-
wendige Kredite sowie Zulassungen werden abgelehnt. Was jeweils positiv oder
negativ ist, entscheiden die Autoritäten in den zuständigen Institutionen – nachvoll-
ziehbar muss das nicht sein.
China will bei dieser pragmatischen Nutzung von Big Data zur gesamtgesellschaft-
lichen Kontrolle weltweit Nummer eins sein. Sowohl als technisches Vorbild wie auch
als Vorbild für Geschäftsmodelle. „Die Ersten. Das wäre eine Warnung für alle Demo-
kratien, in denen Konzerne und Behörden ihre eigenen Big-Data-Träume träumen.
Und könnte anderen gerade deshalb verlockend erscheinen (…).“ (Strittmatter 2017,
S. 13)9
Dass trotz all dieser Entwicklungen die internationalen Vorwürfe der Cyber-Spionage
gegenüber China anhalten, ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch: Denn Chi-
nas Position ist keineswegs im Sinne von „gleiches Recht für alle“ zu verstehen,
sondern eher als sehr nationalistisch-protektionistische Haltung ausschließlich im
Interesse des eigenen Landes.
In Chinas Adaption des deutschen Industrie-4.0-Konzeptes in der Staatsstrategie
„Made in China 2025“ (2015) offenbaren sich auch die Herausforderungen für seine
digitale Souveränität (wangluo zhuquan). Denn trotz aller technologischen Fort-
schritte basiert Chinas durchaus effektives Innovationssystem weiterhin stark auf
Adaption, Anpassung und absorbierender Weiterentwicklung von (Informations-
9 Im Original steht fehlerhaft „erschienen“.
Digitale Souveränität
Bürger | Unternehmen | Staat
- Titel
- Digitale Souveränität
- Untertitel
- Bürger | Unternehmen | Staat
- Herausgeber
- Volker Wittpahl
- Verlag
- Springer Vieweg
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-55796-9
- Abmessungen
- 16.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 196
- Schlagwörter
- Digitales Lernen, Datenaufbereitung, Industrie 4.0, Breitbandausbau, Echtzeitvernetzung, Wertschöpfung und Arbeitsmarkt, Gesellschaftlicher Wandel, Digitale Geschäftsmodelle, Arbeitswelt 4.0
- Kategorie
- Medien