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110 oktober 1895
leer fühlt. Sich immer wieder irgend eine Burgmusik, die sie mit-
nimmt,zuverschaffen, ist ihreeinzigeSorge.Sonstbrauchensiegar
25 nichts. Leidenschaften, Begierden, Triebe sind ihnen fremd. Zuwei-
len gehen sie in die Vorlesung, wie man eben in die Vorlesung geht,
oder sie sitzen im Café, wie man eben im Café sitzt, lesen wohl
auch Romane, weil man doch diese neueren Sachen kennen muss,
machen Besuche, weil man doch seine Bekannten besuchen muss,
30 und handeln nie aus sich, sondern immer nach der Sitte; es drängt
sienie,zuthun,wasmannicht thut.Siesindganzunpersönlichund
könnten ohne Muster gar nicht sein. Sie existieren nur als Exempel
der Gattung. Sie sind jetzt Studenten, wie sie vor ein paar Jahren
Gymnasiastenwarenundwiesie ineinpaarJahrenConceptsprakti-
35 kantenunddannGattenundmitderZeithoffentlichHofrätheund
wohl auch Väter sein werden, und sie sind nichts als Gymnasiasten
oder Studenten oder Hofräthe, und wenn man den Gymnasiasten
oderdenPraktikantenoderdenHofrathvonihnenabziehenwürde,
würdevonihnennichtsübrigbleiben;es istkeinWesenda.Siekön-
40 nen sich nicht einen Moment von dem, was sie vorstellen, isolieren.
Aus sich sind sie nichts; sie bestehen nur aus Beziehungen. Sie sel-
ber lieben nicht, sie selber hassen nicht, sie selber freuen sich nicht,
sie selber leiden nicht, sie selber fühlen nichts, sondern sie nehmen
alleStimmungenan,diegerade ihrenVerhältnissenentsprechen.Sie
45 haben keine Instincte, denen sie sich anvertrauen könnten; so müs-
sen sie sich, um nur überhaupt handeln zu können, immer erst in
Relationenbringen.Dasiesichselbernichtfühlen, trachtensie,sich
als etwas zu fühlen: als der »Student, der mit einer Grisette geht«
oderalsder»LiebhabereinerSchauspielerin«oderalsder»unwider-
50 stehliche Mann«; aus dem Gefühle dieser Typen holen sie erst ihre
Impulse.JemandhatsieFünfguldenlebemännergenannt,weilsiemit
einemTaschengeldvonfünfGuldentäglichdasAnsehenvonViveu-
renzubestreitenwissen.AuchLebebubenhatmansiegenannt,was
das Unmännliche ihrer ganzen Art ausdrückt. Schnitzler hat eine
55 besondereVorliebe,siedarzustellen;siemüssenihmverdächtignahe
gehen:erkommtvonihnennicht los.Schonim»Anatol«haternur
siegeschildert,dannim»Märchen«undnunschilderter siemitden
Mädchen,diezu ihnengehören,wieder.DieseMädchensindgenau
wiesie:unpersönlich,ohneLeidenschaft,passiv.Siebegehrennichts,
60 wehren sich nicht, lassen sich alles gefallen. Sie sagen nicht Ja und
sagen nicht Nein und warten geduldig ab, was ihnen bestimmt ist;
dagegen kann man ja doch nichts machen. Spricht sie wer an, so
antworten sie gern; will er mehr, so geben sie nach; verlässt er sie,
so klagen sie auch nicht. Wer weiß, wozu es gut ist! Manche hat so
65 schonihrGlückgemacht,anderegehenfreilichzuGrunde;estriffts
haltnicht jedegleich.Manmusssichbescheiden,wie’sebenkommt.
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
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- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916