Page - 225 - in Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
Image of the Page - 225 -
Text of the Page - 225 -
januar 1902 225
60 Es hätte es darum zum Beispiel ganz in der Ordnung gefunden,
wenn man nach der »Erziehung zur Ehe«, welche die Kenner ent-
zückte, ohne die Menge anzuziehen, Hartleben durch einen Preis
mitdemstärkerenErfolgevielerschlechterStückeausgesöhnthätte.
Esnimmtihmkeineswegsübel,daßerbeim»Rosenmontag«einmal
65 den Forderungen und Bedürfnissen der Menge etwas nachgegeben
hat;esbegreift,daßaucheinDichtereinmaleinenErfolghabenwill,
selbst auf seine Kosten. Aber warum er für diesen Erfolg, gerade
für ihn, auch noch litterarisch besonders belohnt werden soll, will
es nicht einsehen. Das Gericht, meint es, könnte sich dann eigent-
70 lichdielangeArbeitersparenundeinfachsagen:Wersichausweisen
kann, indenletztendreiJahrendiehöchstenTantiemeniverdientzu
haben, soll nochetwafünftausendKronendazubekommen.
Und nun hatten wir einen Kandidaten, für den uns gerade eine sol-
che Korrektur des Glücks, in welcher allein wir den Sinn eines
75 litterarischen Preises sehen können, gerecht und notwendig schien:
Schnitzler. Schnitzler hat sich in den letzten drei Jahren ganz merk-
würdig entwickelt. Er hat viel mehr gehalten als er versprach. Er
hätte es leicht gehabt, durch sein glänzendes Talent zu verblüffen
undbethören.Esist ihmaberwichtigergewesen,sichreinundruhig
80 auszubilden. Wir haben kaum einen, der ernster an sich gearbeitet
hätte, mit Leidenschaft um innere Zucht bemüht, selbst wenn er
dafür auf den äußeren Erfolg verzichten müßte. Er hat aber arge
Feinde,diedurchausseinenRufzerstörenwollen.Ausganzunlitte-
rarischen Gründen: weil er Jude ist, weil seine Art einer Prinzessin
85 mißfallenhabensoll,undweil sichdieOffiziereüber seineNovelle
»LeutnantGustl«geärgerthaben.Nun,daskönntejaauchanderswo
vorkommen.Aberösterreichischistes, einemMenschen,dereinem
nichtpaßt,einfachdasTalentabzustreiten.Nichtetwazusagen:Die
GesinnungendiesesDichterssindfalsch, ichhaltesie fürgefährlich,
90 ich will ihnen widersprechen, sondern zu dekretieren: er ist kein
Dichter. Man fragt eben bei uns niemals nach der Sache, sondern
immernurnachderPerson,undseitseinePerson»oben«nichtmehr
beliebtist,sollenaufeinmalauchseineWerkenichtsmehrgelten.Da
hättenwirnungewünscht,daßmitAutoritätausgesprochenworden
95 wäre:Diesallesgehtunsnichtsan,derMannmagfalscheAnsichten
haben, aber er kann mehr, als die anderen können; wir haben nicht
überseineGesinnung, sondernüberseineLeistungzurichten;mag
jene schlecht sein, diese ist gut; vielleicht wird ihn einst der Teufel
holen, aber merkt euch, Leute, es ist ein Dichter, den er holt! Dies
100 hätten wir gewünscht, und wir haben es eigentlich erwartet. Dann
hättenwirdochdieBeruhigunggehabt,daßesnocheineStellegiebt,
derdieSachegilt,währendjasowirklichdiejenigenRechtbehalten,
welche behaupten, es komme bei uns gar nicht darauf an, etwas zu
back to the
book Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931"
Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
- 1918 510
- 1919 526
- 1920 536
- 1921 539
- 1922 547
- 1923 570
- 1924 583
- 1925 584
- 1926 585
- 1927 586
- 1928 588
- 1929 590
- 1930 593
- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916