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mai 1902 233
Er versperrt die Thür und tritt an das Bild, Paola starrt. Da verdun-
kelt es sich, jene Glocken ertönen, rasch ist die Bühne verwandelt:
195 derkleineSaal,dasBild,PaulinemitLeonhard.Dieserfragt:Wasist
Ihnen, Pauline? Sie scheint zu erwachen, sie sieht sich um, und der
Dichter merkt an: »In ihren Zügen drückt sich allmälig die Ueber-
zeugung aus, daß ein Schicksal über ihr ist, dem sie nicht entrinnen
kann.«UndsoläßtersiezuLeonhard,indemsieihmdieHandreicht
200 undihmernstundfest insAugesieht,»nichtmitdemAusdruckder
Liebe,sondernderEntschlossenheit«sagen:Ichkomme!Danngeht
sie rasch. Das verlockend wirre Spiel, wie dunkles Wasser tief, ist
aus.
Und der Vorhang geht auf und da ist ein »Extrakammerl« im All-
205 gemeinen Krankenhaus. Carl Rademacher, ein verkommener und
verbrauchter alter Journalist, und Florian Jackwerth, ein Komödi-
ant,beidesterbend.Jenerweißes,underhatnurnocheinenWunsch:
nocheinmal,bevorAllesvorbei ist, seinenFreundAlexanderWeih-
gast zu sehen, den berühmten Dichter Weihgast. Der Secundarius
210 versprichtihm,diesenzuholen.Undnunwarteter,fieberischerregt.
Ah, wird ihm das wohl thun! Dann stirbt er gern, wenn er erst mit
demabgerechnethat!»Wennernurkommt...wennernurkommt!
Ich bitt’ Dich, mein Herrgott, wenn Du mich auch vierundfünfzig
Jahre lang im Stich gelassen hast, gib mirwenigstens die letzteVier-
215 telstunde noch Kraft, daß es sich ausgleicht, so gut als es geht. Laß
mich’serleben,daßerdavormirsitzt–bleich,vernichtet–soklein
gegen mich, als er sich sein Leben lang überlegen gefühlt hat... Ja,
mein lieber Jackwerth, der, den ich da erwarte, das ist nämlich ein
Jugendfreund von mir. Und vor fünfundzwanzig Jahren und auch
220 noch vor zwanzig Jahren waren wir sehr gut miteinander, denn wir
habenbeideaufdemselbenFleckangefangen,nurdaßwirdanneinen
verschiedenen Weg gegangen sind, er immer höher hinauf und ich
immer tiefer hinunter. Und heut’ ist es so weit, daß er ein reicher
und berühmter Dichter ist und ich bin ein armer Teufel von Jour-
225 nalist und crepir im Spital. Aber es macht nichts, es macht nichts –
denn jetzt kommt der Moment, wo ich ihn zerschmettern kann ...
und ichwerd’es thun!Wennernurkommt–wennernurkommt!
Ichweiß,HerrJackwerth,heuteNachmittagswarIhreGeliebtebei
Ihnen–aberwasistdennalleGluth,mitdermaneingeliebtesWesen
230 erwartet, gegen die Sehnsucht nach Einem, den man haßt, den man
sein ganzes Leben lang gehaßt hat und dem man vergessen hat, es
zusagen!«SospeiterseinenNeidaus,undderKomödiant,der ihm
mitdemgrimmigenEiferdesRatézuhört,hateinentückischenEin-
fall:siewollenvorhereineProbeabhalten,damitesdannbessergeht,
235 damit er seine Sachen richtig zu »bringen« weiß – gleich jetzt, der
Komödiant will den Dichter markiren. Und er setzt sich in Posi-
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
- 1918 510
- 1919 526
- 1920 536
- 1921 539
- 1922 547
- 1923 570
- 1924 583
- 1925 584
- 1926 585
- 1927 586
- 1928 588
- 1929 590
- 1930 593
- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916