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märz 1903 253
absurd, wird man sagen. Man lese aber Edgar Poe nach, der gern
die Macht zeigt, die das Absurde über den Menschen hat, und wie
sie ihnstößt,ebendaszutun,wasdieVernunft ihnvermeidenheißt.
WersichübereinenAbgrundneigt,denziehtesherab.DieHeiligen,
110 welche die Sünde erkennen, werden von ihren Lockungen am hef-
tigstenheimgesucht.Wiesollenwirunsdaserklären?Wiesollenwir
es uns überhaupt erklären, wenn unser Gefühl begehrt, was unsere
Vernunftunsversagt?Wirmeinendannwohl (einenAusdruckvon
Barrès anzuwenden), es seien die Toten in uns, die mächtiger sind
115 alswirselbst.Esist irgendeinfürchterlicherUrgroßvaterinmir,der
immer noch nicht sterben will und dessen ich mich nicht erwehren
kann. Der regt mein Blut auf und reißt mich zu Taten hin, denen
meine Vernunft längst entwachsen ist. Daher alle die Gespenster-
geschichten von Familien, in welchen eine grauenhafte Tat, einmal
120 verübt, soblutigaufallenNachkommenliegt,daßsie immerwieder
wiederholt wird; man erinnere sich etwa der »Elixiere des Teufels«.
Wir lachen aufgeklärt darüber, aber wer ist unter uns, der nicht am
hellen Tage schon mit solchen Gespenstern gerungen hätte? Und
schließlichgeschiehtmit jenemPaterMedardusauchnurgenaudas-
125 selbe,wiemitdemCoupeauin»L’Assommoir«.Vonhier istesnun
gar nicht mehr weit und wir fühlen jenen verruchten Urgroßvater
sostarkinuns,daßwirunseinbilden,wirselbsthättendamalsseine
Tatverübt:wirhättenschoneinmal ineineranderenZeit inanderer
Gestalt gelebt. Und vielleicht bilden wir uns das nicht bloß ein. Es
130 gibt Menschen, die darauf schwören. Aber freilich, wir raffen uns
auf, wir fühlen, daß wir uns dem nicht hingeben dürfen, ohne über
dieGrenzenzugeraten.Wirspielennurmanchmaldamiteinwenig.
Wir schließen die Augen und dämmern ein. Und dann erinnern wir
uns.AberplötzlichtönendieGlockenwieder,dieFraumitdemDol-
135 che erwacht, Paola ist wieder zur Pauline geworden, es war nur ein
Traum.Aber freilich:Was istWahrheit,was istTraum?
Hermann Bahr.
567.BahranSchnitzler, 15.3.1903
15.3
LieberArthur,
ichkannausunsererDepeschenichtrechterkennen,wieseigentlich
ergangen ist, freue mich aber sehr, daß die Leute Dein Schmerzens-
5 kindwenigstensendlicheinmalgesehenhaben,undhoffefürBerlin,
daß sich doch ein paar Kritiker finden werden, die seine Schönheit
merken.
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
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- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916