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april 1903 261
perament und war am meisten enttäuscht, als ich die Bahr-Locke
70 verschwunden fand, die so lange richtunggebend für das Aeußere
jungerTalentewar.
Ein Gast kam, da wir eben sprachen, und ich muß ihn einführen,
denn es ist Dr. Arthur Schnitzler. Der machte sich’s nun gleich
bequem,undesschienihmeinVergnügen,zusehen,wieeinAnderer
75 porträtirt wird. Bahr ist sehr leicht zu treffen, und er macht Einem
dieArbeitauchangenehm.KennterdochselbstdasMetierundweiß,
daß es nichts Angenehmeres gibt, als auf ein Modell zu stoßen, das
KantenundEckenhat, andiemandenMeißel setzt.
»OberseinenEinflußaufdieAuswüchsederModerneninLiteratur
80 und Kunst zugesteht oder ob es Legenden sind, die ihm die vielen
Vaterschaftenzusprechen?«
Bahr lächelt und zögert mit der Antwort, und Schnitzler meint mit
seiner feinen, gut abgetönten Stimme: »Ist das nicht ein bißchen zu
grob?«
85 Herr Bahr verwahrt sich dagegen, so vieles Unfruchtbare gezeugt
zu haben. Es sind also Legenden. »Denken Sie,« sagt er, »Mirbeau
entdecktMaeterlinck inParisund ichführedenDichter,durchden
Artikel im ›Figaro‹ angeregt, in Wien als Conferencier ein. Bin ich
da der Vater? – Oder denken Sie vielleicht, daß ich die Secession
90 erfunden habe, oder daß ich an den Versen Hofmannsthals Schuld
trage?«–
UnddasCafé Griensteidl?Die legendarischeKaffeehausliteratur?
BahrlächeltundSchnitzlergreiftindieDebatteein.DerEineerklärt,
in seinem Leben nur zweimal mit Schnitzler und Hofmannsthal
95 zusammen in dem genannten Café gewesen zu sein, der Zweite ist
geärgert darüber, daß man noch immer in »trefflich« informirten
Zeitschriften von ihm als Kaffeehausdichter spricht. Und ich ent-
nehmedenAusführungenFolgendes:DasmitdemCaféGriensteidl
und den großen Schlagworten, die dort von Bahr ausgegeben wor-
100 den sein sollen, ist Erfindung und Eselei. Aber Bahr amüsirt sich
darüber, daß die Legende noch heute erhalten ist. Er will Mode
gemacht haben vor Jahren in Berlin, als er, Tovote und Holz einen
neuen Stil creirten. Damals liebte er die kurzen Sätze, die Gedan-
kenmußtenknapperpräcisirtsein,diedurchwachtenNächtetrugen
105 auch Schuld daran. Und Andere machtens ihm nach. Heute ist das
anders,erertapptsichauf langwierigenPeriodenundbringtdasmit
seiner veränderten Herzthätigkeit, mit Vielschreiberei und Lectüre
zusammen.
Wir kommen auf Kritik und ihren Einfluß auf den schaffenden
110 Künstler.
BahrgibtseineAnsichtkund,diedahingeht,daßderKritiker ledig-
lich fürs Publicum sein Amt ausübt. Belehrung der Leute ist seine
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
- 1918 510
- 1919 526
- 1920 536
- 1921 539
- 1922 547
- 1923 570
- 1924 583
- 1925 584
- 1926 585
- 1927 586
- 1928 588
- 1929 590
- 1930 593
- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916