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262 april 1903
Mission, für den Künstler ist sie bedeutungslos. Denn Bahr glaubt
nicht, daß der Künstler durch das Wort des Tadels oder des Lobes
115 einAnderer werdenkann,undgeradesowenigder Dichter.
»DieschlechteKritikhatalsokeinenEinfluß?«
»AufdenKünstler nicht!«
»Doch,«unterbrichtSchnitzler, »ergiftet sich.«
Undwirsindnunmitten imThema:Ungerechte,persönlicheBeur-
120 theilung, Verrohung derTheaterkritik.
Bahr mag die Kritik nicht, die persönlich wird und hat den Stachel
selbst empfunden, als man beispielsweise nach seinem »Apostel«
schrieb:»DerDichter,dereineVilla inOber-St.Veitbesitzt ...&c.«
Schnitzler denkt milder, er will nur nicht, daß die Kritik böswillig
125 sei; schließlich ist er der Ansicht, daß der Sudermann’sche Rum-
melnichtsehrbegründetwar,denndaspersönlicheMomentbeider
Beurtheilung hätten schon Goethe und Schiller empfinden müssen.
EingesuchterWitz ineinemReferatseiaberkeinesohimmelschrei-
ende Sache, denn »ein guter Spaß ist mir lieber, als ein schlechtes
130 Stück«.
EinschlechterKritikerkannmichnichtändern,sagtHerrBahr,aber
einweiserKritikerkanneswohldazubringen,daßichinErkennung
meinerMängelmeinWerkaufgebe.UnddazukanndenDichterder
Kritiker bewegen; das zeigt sich trefflich bei Grillparzer, den die
135 Kritik verbittert hat und nicht die Censur. Es ist höchst überflüs-
sig, wenn ich von Schnitzler beispielsweise schreibe, daß ihm zum
Shakespeare etwas fehlt. Das kann ihn nicht besser machen, denn
er weiß, daß ihm nur Eines dazu fehlt: das Talent. Nicht wahr, das
stimmtdoch! UndSchnitzlerbejaht.
140 Bahr fuhr mit Sudermann nach der Première der »Drei Reiherfe-
dern«nachBerlinundmerktedemDichterschonimCoupéan,daß
er mit der »Verrohung in der Kritik« schwanger ging. Sudermann
war beispielsweise von einem Referat gekränkt, in dem von seinem
schönen Bart die Rede war. Herr Schnitzler erklärt, ihn würde das
145 nichtärgern, undHerr Bahr istdergleichenMeinung.
Wir kommen auf die Schauspielkunst der Duse. Ob Herr Bahr der
Ansicht ist, daß ihre Kunst auf die deutschen Schauspielerinnen
gewirkthat?
Herr Bahr verneint sehr energisch. »Nein, sie haben nichts gelernt
150 vonihr,oderdochEiniges.SiezerraufensichdieHaare,tragenkeine
Mieder und gefallen sich in den unmöglichsten Schaukelbewegun-
gen.« – Herr Bahr zeigt mir diese Darstellungskunst sehr drastisch,
indem er seine noch immer stattliche Mähne kraut und im Sessel
lustigeWippübungenmacht.Underhältüberhauptnichtsvondem
155 Ablernen,demCopiren.EswerdenNamengenanntvonLeuten,die
Jeder auf seiner Walze hat, und dann zwei, die nicht nachzuahmen
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
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- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
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- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916