Page - 263 - in Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
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april 1903 263
sind: Baumeister, Mitterwurzer. Schnitzler nennt auch den Namen
Girardi, und wie es kommt, daß seine unantastbare Originalität so
vieleNachbeterverträgt.
160 »Das hat schon seinen Grund,« sagt Bahr. »Er schöpft eben aus
dem Volk und es ist nur ein Beweis seiner Echtheit, wenn Viele so
sprechen wie er. Ich kenne einen Bäcker, der zur Zeit meinem Stu-
benmädchendenHofmacht,undichkannnichtgenugstaunen,wie
erdemGirardi inGestenundWortenähnelt,obzwaressicheranzu-
165 nehmenist,daßer ihnvielleichtnureinmal inseinemLebenaufder
Bühnegesehenhat–.«
Ob man Journalist und Bühnenschriftsteller sein kann, ohne in
einemeineNebenbeschäftigungerblickenzumüssen?
Arthur Schnitzler läßt die Fragestellung nicht zu: »Das dürfen Sie
170 doch nicht Bahr fragen, der Beides ist, denn über sich selbst kann
man nicht bei Beantwortung einer Frage stehen. Ich glaube aber,
daßGoethe,LessingundHebbeldenBefähigungsnachweiserbracht
haben, sie waren Kritiker, Journalisten, Schriftsteller; man kann
Arzt sein als Schriftsteller, man kann Taschendieb sein, man muß
175 nurZeitgenug haben ...«
Wie HermannBahrarbeitet?
Es muß ihm etwas einfallen, blitzmäßig muß es ihn erleuchten, das
Andere geht dann leicht: der Weg von Hietzing nach seiner Woh-
nung in Ober-St. Veit kommt ihm prächtig zustatten, da kommen
180 diehübschestenIdeen.AuchSchnitzler istgernalleinbeiderersten
Arbeit, er liebtnochdieOrtsveränderung,dasRadfahren.
Wir begeben uns ins blaue Zimmer und ich verabschiede mich. Da
siehtman,wasdieGewohnheitausmacht,diegrellenReflexewirken
jetzt nicht mehr so störend, und man wünschte in diesem Raume
185 eineFrauzusehen,mitrothemHaarundangethanmitweißen,losen
Gewändern.
NocheinmalkommtdasGesprächaufvergangeneZeit.»WeißtDu
noch,«sagtSchnitzler,»wiewiranjenemAbendzusammensaßenim
LothringerBierhausundDudasWort»dieModerne«,kurzvorher
190 geprägt,aufdenAntrageinesGasteszurücknahmst?Eswarlustig!«
–UndBahrlachtherzlichinderErinnerunganjenenAbend,eswar
jadoch eineZeit, dieMänner zumReifenbrachte.
Auf dem Heimweg schien mir die Natur fabelhaft unecht. Bahr’s
Stolz, der Marillenbaum hatte violette Flecke und sein Haus war
195 in grelles Roth getaucht, seine Hunde aber bellten blau. Ich glaube,
so muß es jedem Naivling ergehen, der auszieht, die Wahrheit zu
schauen. ... A.D.-G.
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
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- 1920 536
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- 1930 593
- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916