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dezember 1903 285
10 das Buch Schnitzlers zugegangen, daß es geboten erscheint, einmal
einpaarWorteüberdasmerkwürdigeWerkzusagen,damitdie irri-
gen Ansichten, die darüber in Umlauf sind, richtig gestellt werden.
Wir geben zu diesem Zwecke einige Sätze aus einer Schrift wie-
der, die Hermann Bahr der Statthalterei in Wien zugehen ließ,
15 um die ihm bisher noch verweigerte Erlaubnis zu einer Vorlesung
der Schnitzlerschen Dialoge zu erhalten. Der Autor des »Meister«
schreibt:
»Es hat unserer Publizistik an dem Mute gefehlt, öffentlich für das
Werk Schnitzlers einzutreten. Gewiß, viele unserer Schriftsteller
20 undKritikererkennendenliterarischenWertderDichtungSchnitz-
lers voll an, aber in keinem Blatte ist ein Artikel für das Buch
erschienen. So wurde das Werk eines Dichters totgeschwiegen, ja
schlimmer als das, dem Unverstande und der Gehässigkeit preisge-
geben.DurchdieVorlesungwill ichdenFolgendieserUnterlassung
25 entgegentreten und will in den Hörern die Erkenntnis erwecken
oder die Ueberzeugung bekräftigen, daß es sich hier um ein literari-
schesWerkhandelt,daßdieFormdesGanzenunddieIdee,die ihm
zu Grunde liegt, es zu einem Kunstwerke machen, daß die heiklen
Situationen,dieinihmvorkommen,nichtindenDienstfrivolerSpie-
30 lerei, sondern ernster Gedanken gestellt und nicht um ihrer selbst
willen,sondernauskünstlerischenGründenmitkünstlerischerNot-
wendigkeitbehandelt sind.
Schnitzlers›Reigen‹zeigtinsatirischerFormdieKonsequenzdavon,
daß unserer Anlage nach und noch mehr unserer Gesellschaftsord-
35 nung nach das sexuelle Moment in den Mittelpunkt des ganzen
Lebensgestelltist.SchnitzlerführtunsinBeispielen,diemitAbsicht
aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten gewählt sind, vor,
wie anders der ›Werbende‹, wie anders der ›Erhörte‹ sich benimmt.
Umdiese Kontraste wirksam und überzeugend zu gestalten,hat sie
40 derDichtersonahewiemöglichzusammengerückt.Wennmanalso
nach einer Tendenzen im vulgären Sinne in der Dichtung suchen
wollte,müßtemandiesegeradezuals sittlichbezeichnen,undwenn
die Dichtung etwa einen bestimmenden Einfluß auf den Leser oder
Hörer üben sollte, so könnte dieser Einfluß nie darin bestehen, daß
45 siedasMädchenzur Hingebung verleitet,sondernnurdarin,daß
sie ihmdieNotwendigkeitderZurückhaltungnahelegt,nichtdarin,
daßsiedenManneaneifert,denvorgeführtenBeispielenzu folgen,
sondernnurdarin,daßsieihnbestimmt,zu unterlassen,wasihm
alsabstoßend oder lächerlichvorgeführtwurde.«
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
- 1918 510
- 1919 526
- 1920 536
- 1921 539
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- 1927 586
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- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916