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468 april 1912
gemacht. Etwa zu gleicher Zeit hatte Ortner bei Herzl, Burckhard
und Bahr schwere Herzkrankheiten konstatiert, und alle diese Pati-
enten mit einer ukaumu zu rechtfertigenden Aufrichtigkeit tzuinu
150 schweren seelischen Depressionen tverurteiltversetztu. Herzl starb
schon im Juli 1904. Bahr sagte mir ungefähr zu dieser Zeit: »Der
Ortner hat mir gesagt, dass deri Burckhard noch viel kränker ist als
ich.Erweiss garnichtwiekrank er ist.«
Im Juni 1909 waren wir etwa acht Tage in St. Gilgen. Damals stieg
155 ich einmal mit B. auf seine Alm, wo er sich eine Hütte gebaut
hatte, und die Arbeiter eben mit der Steinumfassung udes Plat-
zesu beschäftigt waren. B. stieg vortrefflich und nach anfänglicher
Aengstlichkeit,wiemeistens,kamersehrbaldinsRedenundErzäh-
len. Er sprach damals davon, dass er in der letzten Zeit alle tJugend
160 Liebesubriefe verbrannt hätte. »Es macht einem doch nur traurig,
wennmanspäterdieSachenwiederansieht.«
Sein Haus in St. Gilgen hatte innen etwas Kahles, ja beinah Trüb-
seliges. Der Garten wunderschön. Im Juli 1911 sass ich mit ihm in
einemebengebautenkleinenSalettl,mit ihmunddreiennichtmehr
165 ganz jungenFräuleins,die sichdorti regelmässigzueinerTarokpar-
tie einzufindenpflegten.
ImLaufedesletztenJahresbesuchteermichzuweilen,meistvonsei-
nemgewohntenSpaziergangimTürkenschanzparkanunsermHaus
vorüberkommend. Anfangs uwar eru immer von schweren Angst-
170 vorstellungen gequält, im Laufe des Gespräches verloren sie sich
beinahe regelmässig und noch im vergangenen Winter wurde man
umanchmaluanseinebestenTageerinnert.
EtwasSchrullen-undSonderlingshafteswar ihmschoninfrühester
Zeit eigen. Er gehörtezu der SortedergeselligenEinsamen.i
175 Was wird von ihm übrig bleiben? Er hat wohl kein einziges Werk
geschaffen, das durch seinen Kunstwert die Anwartschaft auf lange
Dauer insich trägt, aberviele, auchkeines, indemesnichteinzelne
Partieen von dichterischem Reiz, ja selbst von dichterischer Kraft
gäbe. In allen aber, selbst in den wenigst gelungenen, spricht sich
180 seineganzePersönlichkeit ausundmanmussesbeklagendieUnge-
rechtigkeit des Nachruhms beklagen, der sich formalem Gelingen
so viel leichter geneigt zeigt als den schriftstellerischen Aeusserun-
gen einer tsonderbarenbedeutendenu Menschlichkeit, wenn sie nicht
von den Flügeln der Form über die Jahrzehnte oder Jahrhunderte
185 getragen werden. Freilich stellt sich bald der Trost ein: Was bedeu-
ten Jahrzehnte und Jahrhunderte? Und was bedeutet der Name
eines Menschen? Die Wirikungen von Persönlichkeiten, wie B.
eine war, liegen wahrscheinlich so tief, dass sie nur in ihren Resul-
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
- 1918 510
- 1919 526
- 1920 536
- 1921 539
- 1922 547
- 1923 570
- 1924 583
- 1925 584
- 1926 585
- 1927 586
- 1928 588
- 1929 590
- 1930 593
- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916