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1962 611
kelnden Augen spöttisch blinzeln, sein Linzer Dialekt von noch
mehr Zischlauten durchsetzt ist als gewöhnlich. Begegnungen voll
schwankender Sympathie ... denn Schnitzler verhehlt es durchaus
40 nicht,daßBahr ihnzuweilenungeduldigmacht.
EinesAbends, in lustigerGesellschaft,wirdallgemeinBruderschaft
getrunken; und Schnitzler, sonst immer auf gemessene Entfernung
bedacht, kann sich dies eine Mal nicht entziehen. Das war wohl die
Ursache, daß er in späteren Jahren jedes freundliche Angebot auf
45 Bruderschaft immer wieder mit der Bemerkung ablehnte, er sei nur
einesMenschenDuzbrudergeworden,unddenhätteerzujenerZeit
nicht leiden können. Und wirklich: im Kreis der Freunde ist es in
all den vielen Jahren nie mehr zu solcher Verletzung der Distanz
gekommen.NichtsistihrermißtrauischenEmpfindlichkeitsozuwi-
50 der wie die fälschende Allüre der Nähe, die sich mit Anblinzeln,
Zuruf, Schulterklopfen anbiedern will, während darunter ein gan-
zerAbgrundvonBeziehungslosigkeitgähnt.DieödeKumpanei im
Kreis von Zufallspartnern kann ihnen nicht mehr Vortäuschen als
sie ist, und echtes Einverständnis stellt sich am ehesten auf der soli-
55 denBasisbewußterEinsamkeither.VollendsdieserBahr:nachdem
er stundenlang seine glänzende ironische mutwillige Beredsamkeit
entfaltethat, stehterauf,gehtweg,nimmtsichso leichtundrestlos
zurück, daß man nie recht weiß, wozu er wirklich steht, woran er
hängt,woer wurzelt.
60 Es ist auch wenig Verlaß auf seine kritischen Maßstäbe. Sein Tem-
perament,demWogeneigenerGedankenundEmpfindungenpreis-
gegeben, scheint von jedem neuen Eindruck wahllos hingerissen.
EinenharmlosenDilettanten,dergleichunbeträchtlichmalt,dichtet
und komponiert, nennt er »den verschwenderischen Meister dreier
65 Künste«–jedersichneugebärdendenErscheinunggehtermitFan-
farenstößenvoran.
EinmalbetrittergemeinsammitSchnitzlerundBeer-Hofmannden
großen Saal des Künstlerhauses. Von weitem bemerkt Schnitzler
ein Bild, das zunächst durch seine grellen blaugrünen Farben auf-
70 fällt. »Das wird dem Bahr sicher gefallen«, sagt Schnitzler zu Beer-
Hofmann. Und wirklich, schon ist Hermann Bahr auf dieses Bild
zugegangen, und davor stehend sagt er mit dem herausfordernden
Ton, den er immer hat, wenn er etwas Neuartiges durchsetzen will:
»Alsodas istdasBedeutendste,wasseitzehnJahrengemaltworden
75 ist.«
Damit schien seine eigene Einstellung weit mehr als das Bild cha-
rakiterisiert, denn auf jeden Fall war er in revolutionärem Wider-
sprachzumAlthergebrachtenzufinden, immerinderfechterischen
Stellung des Raufbolds, und das bis zu einem Ausmaß, mit dem er
80 nicht nur seine konservativen Leser verblüfft, sondern auch seine
Freundeärgertundreizt.
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
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- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916