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614 1962
Kritik werde es loben, der ärgste Feind könne daran nichts ausset-
zen,aberauchderenthusiastischesteFreundwerdenicht sagen:ein
Prophet sei erstanden.
Die Burgtheateraufführung brachte der »Liebelei« den Erfolg, von
175 dem es hieß, ihr Autor sei über Nacht berühmt geworden. Bahr
schreibteineKritikvollabsichtlichenWiderstandes,sprichtvonder
»mehr feuilletonistischen als dramatischen Anmut ... eine saubere,
anständigeund braveArbeit«.
»PassenS’auf«,sagterzuLoris,»sowieSchnitzlerbisher›derDich-
180 ter des süßen Mädels‹ war, so wird er jetzt den berühmten Dichter
posieren.«
»Eine Ihrer Negationen, von denen Sie schon zurückkommen wer-
den«, entgegnet ihm Loris, »denn jetzt ist er’s.«
Wenige Wochen darauf meldet Bahr seinen Besuch bei Schnitzler
185 an. Nach allerlei Umwegen und Vorwänden des Gesprächs geht er
auf das eigentliche Thema los: er gebe es zu, sein Urteil schwanke
Schnitzlergegenüber,undgleichdarauf,nachkurzerÜberwindung,
stößterheraus:»Ichweiß jaganzgut,daß ichmichgeirrthabe. Ich
hab’esauchdemBurckhardschonvordeinerPremiereangekündigt:
190 ich muß zwei Feuilletons über die ›Liebelei‹ schreiben; eins, wenn
sie durchfällt, wo ich dich justament riesig lob’, und eins, wenn sie
gefällt, in dem ichmichmitdir scharf auseinandersetze.«
Schnitzler lacht überwältigt: »Das nenn’ ich Sachlichkeit!«, wäh-
rend Bahr lebhaft fortfährt: »Vergiß nicht, ich bin eine Propagan-
195 danatur. Ich muß die Dinge korrigieren, wie sie mir in meinen Plan
passen.Mirhaben’s jadieLeute sofortgesagt,daßunsdieseswenig
ermutigende Feuilleton auf immer auseinander bringen wird. Aber
das schien mir unwahrscheinlich, denn ich kenne dich. Vielleicht«
– und seini Blick gleitet zur Seite – »sind wir nur so niederträchtig
200 gegeneinander, weil wir dergleichenGenerationangehören.«
Ende März 1896 ist Schnitzler bei Bahr: ein Krankenbesuch. Bahr
ist im Duell verwundet worden. Er hat sich an Stelle eines jüdi-
schen Herausgebers der Tageszeitung »Die Zeit« geschlagen, der
von irgendeinem provokatorischen Subjekt herausgefordert wor-
205 den war. Die Juden waren nämlich soeben von den wehrhaften
deutschnationalen Studenten für satisfaktionsunfähig erklärt wor-
den,undnundachtendiese,ihreBeleidigungenbeijederGelegenheit
ungestraft austeilen zu dürfen. Diesem sogenannten Waidhofener
BeschlußbegegneteBahr,derSohneinerstrengkatholischenLinzer
210 Notarsfamilie,aufseineresoluteWeise,indemerdieBeleidigungauf
sichnahm.ErstaunlicherVorfall:BahristalsonichtnurderVerkün-
der oft zweifelhafter Werte – an die er bald gar nicht mehr glaubt –
er begibt sich selbst in Gefahr, wo es eine wahre menschliche Stel-
lungnahme,eineechteGesinnungzuverfechtengilt.Zumerstenmal
215 empfindetSchnitzlerwirklicheSympathiefürihn;vonseinemKran-
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
- 1918 510
- 1919 526
- 1920 536
- 1921 539
- 1922 547
- 1923 570
- 1924 583
- 1925 584
- 1926 585
- 1927 586
- 1928 588
- 1929 590
- 1930 593
- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916