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1962 619
einWerkoder eineTat um den PreisderGrimasse erkauft, so ist es
immereinZeichen,daßderTäterdaranist,sichzuzerstören.Glaubt
dochnicht,daßdieMenschendieSchönheit liebenweil siegefällt,–
sie ist mehr als eine Lust der Sinne. Sie ist unser höchstes Gesetz,
395 dennsie istunserMaß,daszeigt,wie weitwirdürfen.«
ZuBeginndesJahres1903erscheintBahrbeiSchnitzler,krank,asch-
grau,gealtertaussehend–undwenigeTagedaraufmußersicheiner
Operation unterziehen. Die Rekonvaleszenz ist schwerer, als die
Ärztei annehmenkonnten.Die»Ochsennatur«,vonderBahrselbst
400 einmal in frühen Jahren sprach, hat diesmal ihren ersten schweren
Stoßerlitten.EinHerz,dassichniegeschonthat, lautetdieärztliche
Diagnose. Ein Mensch, der sich immer unbedenklich an die Welt
verschwendet, empfindet der Freund, der mit dem Gefühl tiefster
Sympathieam Bett desKrankenerschienen ist.
405 Obwohl noch schwach und müde zu Bett, schreibt Bahr eine Art
RückblicküberSchnitzlersEntwicklung.Dieserseinachseinemers-
tenplötzlichenErfolginGefahrgewesen,sichzurManierverführen
zu lassen. Und er, Bahr, habe diese Befürchtung damals ausgespro-
chen, gereizter und heftiger, als es notwendig gewesen wäre, aber
410 eigentlich doch in einer guten Gesinnung. Schnitzler jedoch hätte
ihngarnichtgebraucht,»denninihmist jenewunderbareUngeduld
der ganz ehrlichen Menschen, die sich niemals beruhigen, bei kei-
nem Erfolge verweilen, sondern unerbittlich von sich das Höchste
zufordernentschlossensind«.
415 Es duldet ihn nicht lange, sich der Krankheit hinzugeben. Schon
schlägterwieder,mithalbnochversagendenKräften,nachallenSei-
tenaus.Dasmeiste,wasjetztrundherumgeschieht, istdazuangetan,
ihnaufzureizenundzuärgern.
Zumerstenmal scheintBahrdurchdieVergeblichkeit seinesKamp-
420 fes entmutigt, und der Gedanke taucht in ihm auf: fort von Wien!
»Wunderschön drückt es Bettina aus, was ich so oft, aus der Stadt
kommend, inmeinenGartentretend,vondenMenschenaufatmend
fühle: Der tiefe Schauder, der mich schüttelt, wenn ich eine Weile
der Welt zugesehen habe, wenn ich dann hinter mich sehe in die
425 Einsamkeitundfühle,wie fremdmir alles ist.«
Aber er gibt nicht nach. Ende 1903 läßt er das kleine Buch »Gegen
Klimt«erscheinen–eineSammlungderböswilligstenKritikenüber
denbedeutendenMaler,dessenBilder»Medizin«und»Philosophie«
nacheinemProtestgeheulderÖffentlichkeitvonderWienerUniver-
430 sität, für die siegemaltwaren,zurückgewiesenwurden.
»Die in diesem Buche zusammengestellten Zeitungsnotizen sollen
teils historisches Material bilden, teils sollen sie ein Dokument sein
menschlichen Geistes. Hier findet man Wiener Spaßmachertum,
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
- 1918 510
- 1919 526
- 1920 536
- 1921 539
- 1922 547
- 1923 570
- 1924 583
- 1925 584
- 1926 585
- 1927 586
- 1928 588
- 1929 590
- 1930 593
- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916