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1962 623
565 ein zu großes Opfer zugemutet würde, sah ihn der Rat lächelnd an
undmeinte:obsienichtalleeinvielgrößeresOpferbringenmüßten,
umindasDeutscheReichaufgenommenzuwerden,obsiedasüber-
haupt könnten und ob es, wenn sie es könnten, nicht doch schade
darumwäre.WelchenVorteildasdeutscheWesendenndavonhätte,
570 wenndieseösterreichischeSpielartdarausverschwände,dieseEigen-
art, die sich gerade im Zusammenleben mit vielen andern Völkern
entwickelthatundnurdarinzuerhaltenwäre.
So sah des Kanzlers Botschaft aus. Denn längst schon hatte seine
Weisheit eserkannt:»WennÖsterreichnichtexistierte,müßteman
575 eserfinden.«
In manchen Wandlungen, in vielen »Superlativen des Lebens«
bewegt sich von nun an der Mann, dem »mittlere Zustände uner-
träglich sind«. Ein Sozialist ist er in Wien. In Paris ein Bohemien,
von den Problemen künstlerischer Form besessen. In Spanien ein
580 Bummler, der Freund von Stierkämpfern und Tänzerinnen, voll
Hohn bei dem Gedanken, daß er je Kant und Marx gelesen hat. In
Deutschlandein Vorleser neuester Dichtung auf Tournee – »sobin
ich in Nord und Süd für Deinen Ruhm besorgt«, schreibt er an
Schnitzler.Einmal füreineWeileRegisseurbeiMaxReinhardt.Ein
585 Autor vielgespielter Stücke: »Meine Lustspiele sollen den Leuten
vorschwindeln, daß man über das Leben lachen kann.« Und wenn
er auch in einem Brief an Schnitzler in Berlin »alles, fast alles ganz
famos findet«, sieht er doch, was in Vergangenheit und Zukunft
seineGeltunghat.
590 »In unserem merkwürdigen deutschen Volk, wo jede neue Genera-
tion das Leben noch einmal von vorne wieder anfangen und darum
vorallemdurchausalles,wassievorfindet,verleugnen, javölligver-
gessen will, um nur ja ganz mit ihrem Eigensinn allein auf der Welt
zusein«stellt er in seinem »Selbstbildnis« fest.
595 In London ist er der Gesprächspartner Bernard Shaws, den er zum
englischen Hermann Bahr ernennt. Endlich wieder in Wien, wird
er »der große Nothelfer der österreichischen Kunst«, wie er sich
selbst bezeichnet, und als den überlegenen Meister seines »Dialog
vomMarsyas«mußmanihnerkennen.
600 Er sagt: »Wenn irgendwo Talent erscheint, spür ich’s an einem
Zucken inmirunddaßesTalent inderWeltgibt,beseligtmich,die
Sonne scheint dann noch einmal so schön.« Nicht mit Kritik – mit
hingerisseinemSinnschauterdasWunderderErscheinung.Undso
sagter:»Wirseheneinandernurnichtgenaugenugan, sonstwären
605 wir alle ineinanderverliebt.«
Doch nie hat seine Stimme diesen fast drohend ernsten Klang, als
wennerÖsterreichheraufbeschwört.»EsistdasÖsterreichderVer-
gangenheit mit seinem Drang und seiner Macht zur Zukunft. Und
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Title
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Subtitle
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Editor
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Size
- 14.6 x 23.4 cm
- Pages
- 1010
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
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- 1919 526
- 1920 536
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- 1930 593
- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916