Page - 175 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
Franz Singer hatte diese neue Ausrichtung mit Interesse verfolgt und sich sogar für
den von März bis Juli 1922 stattfindenden De Stijl-Kurs von van Doesburg in Weimar
angemeldet.12 In dem zeitgenössischen Lexikonbeitrag wird diese Orientierung Franz
Singers auch herausgestrichen: „[...] Anschluß an Walter Gropius u. die Stijl-Gruppe.“13
Im Werk von Dicker, die am Bauhaus die Weberei- und Bühnenwerkstätte besucht
hatte, zeichnet sich diese Ausrichtung ebenfalls ab. So wurden ihre zu dieser Zeit ent-
standenen Malereien, Skulpturen und Wandteppiche von dem Kunsthistoriker Hans
Hildebrandt aufgrund des „hohen Grad[es] der Formenklarheit“14 dem Konstruktivis-
mus zugeordnet.
Wie bereits die in Berlin gegründeten Werkstätten Bildender Kunst so kann auch die
1925 gegründete Wiener Ateliergemeinschaft, bei der sich Dicker und Singer der In-
neneinrichtung und Architektur widmeten, insofern als Fortführung früher Bauhaus-
gedanken von Gropius verstanden werden, als sie hiermit das von ihm geforderte „Ein-
heitskunstwerk“ ohne „Grenze [...] zwischen monumentaler und dekorativer Kunst“
schufen.15 In nachfolgenden Kapiteln gilt es zu klären, welche Gestaltungsgrundsätze
sich in ihrem Werk widerspiegeln und wie sie sich zu den späteren Entwicklungen am
Bauhaus positionierten.
5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur
5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900
Dem „Vater der Wiener Moderne“16 Otto Wagner (1841–1918) gelang es, die histori-
schen Stile zu überwinden.17 Mit seiner Berufung auf den Lehrstuhl für Architektur an
der Wiener Akademie der bildenden Künste 1894 fanden seine Überlegungen zu einem
zeitgenössischen, modernen Stil größere Breitenwirkung.18 Daran anknüpfend schloss
sich 1895 eine Gruppe junger gleichgesinnter Künstler und Architekten, darunter auch
12 Siehe: RKD Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis, Den Haag, Archiv von Theo und Nelly
van Doesburg, Teilnehmerlisten des „Stijl-Kursus“ März–Juli 1922, Inv.-Nr. 0408-1217. Dass es
sich bei der handschriftlichen Angabe „Singer“ um Franz Singer handelt, obwohl der Vorname nicht
angegeben wurde, bestätigt die Angabe der Adresse „Karl Alexander Allee 15“, die auch als Adresse
auf einer Weimarer Meldebestätigung von Franz Singer angegeben ist.
13 Poglayen-Neuwall 1978, S. 88.
14 Hildebrandt 1931 S. 403, 407.
15 Gropius 1923, S. 9.
16 Witt-Dörring 2015b, S. 64.
17 Witt-Dörring 2015b, S. 64.
18 Witt-Dörring 2015c, S. 102.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Title
- Bauhaus in Wien?
- Subtitle
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Author
- Katharina Hövelmann
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Size
- 17.4 x 25.6 cm
- Pages
- 492
Table of contents
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482