Page - 289 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 289
grund ihrer Leichtigkeit als geeignete Möbel für Kindergärten angepriesen, ob sie tat-
sächlich verkauft wurden, bleibt unklar.279
1938 entstand schließlich eine komplexere Entwurfsserie für Kindergartenmöbel, bei
denen ebenfalls vorgefertigte Sperrholzplatten die Grundlage bildeten. Die Entwürfe zei-
gen verschiedene Spielzeug-Schränke, einen Einbauschrank, ein Bücherregal, hängende
Regale, tragbare Aufbewahrungen, Schreibtische, einen Frisiertisch mit Hocker, eine
Sitzbank sowie stapelbare Tische und Stühle.280 Diese Kindermöbel-Serie wurde vermut-
lich nicht umgesetzt, da sich keine Fotos von realisierten Möbeln erhalten haben.
Der Entwurf von Sperrholzmöbeln für Kindergärten war insofern innovativ, als sie
besonders leicht und günstig herzustellen waren. Da jedoch eine Serienproduktion bei
den X-Sesseln für Erwachsene scheiterte, ist fraglich, ob jemals ein britischer Kindergar-
ten tatsächlich mit Singers Kindermöbeln ausgestattet wurde.281 Die Zusammenarbeit
mit der Firma Paul and Marjorie Abbatt Ltd. und der Nursery School Association of Great
Britain verdeutlicht aber, dass Singer seine reformpädagogischen Bestrebungen auch in
Großbritannien intensiv weiterverfolgte.282
5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten
Die Ateliergemeinschaft entwarf im Zeitraum 1925 bis 1930 eine erstaunliche Vielzahl
an Leuchten unterschiedlichen Typs wie Decken-, Hänge-, Wand-, Steh- und Tisch-
leuchten. Bereits auf der Kunstschau 1927 wurden einige Typen gezeigt und auf der
Ausstellung „Wiener Raumkünstler“ 1929/1930 ein erweitertes Sortiment präsentiert
(Abb. 266). Ab 1930 entstanden nur noch einige neue Modelle.283 Die Ausführung von
circa 60 verschiedenen Leuchten ist durch Fotografien belegt, darüber hinaus sind zu-
sätzlich noch einmal mehr als 60 Entwürfe erhalten.284 Auf einigen Zeichnungen ist das
Kürzel „F. S.“ für Franz Singer angegeben. Demzufolge könnte es sich bei den erhaltenen
279 BHA, Franz Singer, Dokumentensammlung, Mappe 5, Faltblatt, Ewart S. Andrews, „The perfect
chair for the Nursery School“; Faltblatt, Peter Jones „Nursery School Furniture“.
280 Siehe: BHA, Architektursammlung Franz Singer, Inv.-Nr. 2019/260.1–72.
281 Ein Hinweis lässt darauf schließen, dass die Möbel zumindest probeweise in der Chelsea Open Air
Nursery School verwendet wurden. Siehe: BHA, Mappe V./d, Brief Peter Jones an Natalie Davies,
10.1.1939.
282 Fotografien von britischen Kindergärten haben sich nicht erhalten. Im BHA befindliche Doku-
mente belegen jedoch, dass Singer bis in die 1940er-Jahre mit der Nursery School Association of Great
Britain in Verbindung stand. Siehe: BHA, Franz Singer, Dokumentensammlung, Mappe 5.
283 Für 1936 sind Entwurf und Ausführung für eine Leuchte in der Wohnung von Rudolf und Dolly
Kriser und 1937/1938 für eine Deckenleuchte in der Snack-Bar im Kaufhaus John Lewis & Co in der
Oxford Street in London belegt. Siehe: BHA, Fotosammlung, Franz Singer, Inv.-Nr. 7908/13.
284 Siehe: AGS.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Title
- Bauhaus in Wien?
- Subtitle
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Author
- Katharina Hövelmann
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Size
- 17.4 x 25.6 cm
- Pages
- 492
Table of contents
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482