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Karl Strobel fasste m. E. die kritischen Stimmen
bezüglich des Umgangs der Provinzialarchäologie
mit Zerstörungsbefunden und deren Verbindung mit
den Markomannenkriegen zuletzt am treffendsten
zusammen, indem er meint: »Es ist dabei grund-
sätzlich zu beachten, daß man das historisch über-
lieferte Faktum der Markomannenkriege über lange
Zeit zur axiomatischen Basis für die Datierung von
archäologischen Befunden gemacht hat, woraus
sich vielfach Zirkelschlüsse ergeben haben, welche
die Interpretation und Datierung neuer archäologi-
scher Befunde bis heute vorzuprägen pflegen.«109
So konnten beispielsweise für den Vicus von Sulz
am Neckar postulierte Zusammenhänge zwischen
Zerstörungsbefunden und Ereignissen der Mar-
komannenkriege110 zuletzt durch eine kritische
Analyse von Befunden und Funden sogar revidiert
werden111. Kleinflächige Ascheschichten und Brand-
befunde voreilig auf historisch verbürgte Ereignisse
zu beziehen, ohne andere Erklärungsversuche wie
etwa die Befeuerung von Herden, Öfen und Heiz-
systemen in Betracht zu ziehen, wurde zuletzt auch
von Ulrich Sinn kritisiert112. Hinsichtlich der ein-
schlägigen Deutung archäologischer Befunde im
Zusammenhang mit Zerstörungen durch die Heru-
ler in Athen 267 n. Chr. konstatiert er sowohl eine
»Sogwirkung« als auch mangelnde Quellenkritik
bei der Heranziehung von Schriftquellen zur histori-
schen Deutung von Ausgrabungsergebnissen in der
Archäologie113.
Die hier angeführten Zitate zeigen deutlich die
heterogene Forschungslage zur Thematik. Für die
vorliegende Ambivalenz lassen sich verschiedene
Ursachen anführen. Einerseits wurden und wer-
den konjekturale Aussagen der älteren Forschung,
vor allem in kompilatorischen Arbeiten, hartnäckig
tradiert, bestenfalls wenig bis kaum hinterfragt,
schlimmstenfalls weiter ›frisiert‹. Andererseits ist
festzustellen, dass kritische Anmerkungen zum
Thema eine wesentlich kürzere Forschungsge-
schichte aufweisen und deshalb gegenüber den
weitgehend tradierenden Arbeiten in der Minderzahl
sind. Dieses Verhältnis birgt die Gefahr, dass kriti-
sche Meinungen entweder nicht wahrgenommen
oder auf Grund ihrer geringeren Zahl als unwahr-
scheinlich eingestuft werden.
109 Strobel 2001, 107.
110 Böhme 1977, 179.
111 Schaub 1994, 439 – 445; Schaub 1996, 90.
112 Sinn 2003, 52 f.
113 Sinn 2003, 53; vgl. dazu z. B. Thompson 1949, 217 f. Taf. 41,
Abb.1 – 2.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Title
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Author
- Christoph Hinker
- Publisher
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321