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Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Page - 182 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva

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182 den, so bereitet die Erklärung der Vakanz spezifisch germanischer Militaria größere Schwierigkeiten. Auch hinsichtlich der Zusammensetzung der Mili- taria in Regensburg-Kumpfmühl musste A. Faber einräumen: »Eindeutig ›nichtrömische‹ Waffen fan- den sich allerdings nicht.«1088 Diesbezüglich wies T. Fischer jedoch darauf hin, dass diese Aussage zu relativieren sei, da »bei einfacheren Pfeil- und Lan- zenspitzen eine präzise Zuweisung oft nicht möglich ist«1089. Diese Feststellung mag auch auf die Funde eiserner Pfeilspitzen aus Celemantia-Iža zutreffen. Als Funde germanischer Herkunft angesprochene Artefakte aus dem Kastell gegenüber von Brige- tio-Komárno können nicht direkt mit kriegerischen Ereignissen verknüpft werden1090. Hinweise auf die Anwesenheit von Germanen fehlen im vorliegenden Fundmaterial aus Flavia Solva-Wagna. Dass diese nicht vor Ort waren, dürfen wir daraus freilich nicht zwingend ableiten. Kleinteilige Militaria können auf einer archäologischen Ausgrabung auch überse- hen werden, oder kann ein blitzartiger Überfall auch keine oder kaum Spuren hinterlassen haben, die sich archäologisch so abzeichnen, dass sie eindeu- tig mit einem solchen Ereignis zu verbinden wären. Andererseits könnte das Fehlen von Überresten germanischer Militaria ebenso auf ein gezieltes Durchsuchen des Brandschutts nach wiederver- wertbaren Metallgegenständen zurückzuführen sein (vgl. Kap. 7). 16.5 Menschliche Skelettreste Auch mögliche Verluste an Menschenleben zeich- nen sich im Fundmaterial der Periode II/II+ nicht ab. Menschenknochen sind nicht nachgewiesen. Diese könnten ohnehin nur unter den Prämissen, dass sie aus einem Zerstörungshorizont geborgen wurden und unverheilte Verletzungsspuren aufweisen1091, die eindeutig nicht auf einen Unfall zurückzufüh- ren sind, auf mögliche Kampfhandlungen bezogen werden. Unbestattetes menschliches Knochenma- terial könnte auch von Individuen stammen, die in einem Schadensfeuer ohne Feindeinwirkung umge- kommen sind. Ein Todesfall im Zuge von Brandbe- kämpfung quod in incendio / restinguendo interi[t] ist beispielsweise epigrafisch für Ostia belegt1092. Zwei Individuen, von denen eines auch im Besitz eines Schwertes war, und die jeweils im Brandschutt eines gegen 180 n. Chr. abgebrannten Gebäudes 1088 Faber 1994, 93. 1089 Fischer 2009, 110. Dazu auch: Fischer 1994, 343. 1090 Rajtár 1992, 168 Abb. 20, 1  –  2. 6 (Bronzefibel, Beinkamm, Keramiktopf); vgl. Rajtár 1996, 83  –  95 (keine »spezifisch ger- manischen« Militaria). 1091 Einen knappen Überblick über Befunde von Kampfspuren an menschlichen Überresten bietet Fischer 2009, 5 f. 1092 CIL Suppl. XIV, 4494. in Genf dokumentiert werden konnten, wurden als Opfer einer Brandkatastrophe gedeutet1093. Das Fehlen von Menschenknochen mag für den vorliegenden und ähnliche Befund(e) andererseits damit erklärt werden, dass diese geborgen und nachträglich bestattet worden waren. Dies könnte freilich sowohl nach einer Brandschatzung als auch nach einem Schadensfeuer erfolgt sein. Bei- spielsweise wurde ein eindeutig an Schuss- und Hiebverletzungen verstorbenes männliches Indivi- duum regulär im Gräberfeld von Viminacium beige- setzt1094. Grundsätzlich kann es für das Vorkommen mensch- lichen Knochenmaterials in Siedlungsbefunden der mittleren Kaiserzeit auch andere Erklärungen als Feindeinwirkung oder Unfälle geben. Es könnte dabei auch an Einfüllungen zu denken sein, die etwa aus dem Bereich von älteren (z. B. prähisto- rischen) Bestattungsarealen stammen, weshalb eine Verbindung mit beispielsweise kriegerischen Ereignissen oder ›natürlichen Katastrophen‹ an die Evidenz entsprechender Zerstörungsschichten zu knüpfen wäre. Verschiedene Möglichkeiten wie Verschleppung von Bestattungen, sugrundaria oder Sonderbestattungen im Zusammenhang mit ritu- ellen Handlungen wurden zuletzt für Befunde mit menschlichen Skelettresten in Nida-Frankfurt/Hed- dernheim diskutiert1095. Aufgrund der festgestellten Verletzungsspuren erscheint die vorgeschlagene Verknüpfung der menschlichen Überreste aus Nida- Frankfurt/Heddernheim mit kriegerischen Ereignis- sen des 3. Jahr hunderts n. Chr. plausibel1096. Brandbefunde und Skelettreste aus Hofheim, dar- unter auch ein Skelett, dessen Schädel eine eindeu- tige Spur von Gewalteinwirkung aufweist, werden von Emil Ritterling mit dem Einfall der Chatten von 51 n. Chr. verknüpft1097. Skelettreste aus einer Brunnenverfüllung in Salla- Zalalövő wurden mit Aufräumarbeiten nach den Markomannenkriegen in Zusammenhang gebracht (vgl. Kap. 10.2; 15). Im Kastellvicus und Kastell- graben von Rheingönheim aufgefundene Skelett- reste wurden mit den turbulenten Ereignissen des Vierkaiserjahres in Beziehung gesetzt1098. Aus Zer- störungsbefunden des 3. Jahr hunderts n. Chr. in Niederbieber1099 und Rapis-Schwabmünchen1100 liegen Funde von Menschenknochen vor. Im Brand- schutt innerhalb des südöstlichen Eckturms des Kastells Pfünz wurden menschliche Skelettreste 1093 Haldimann u. a. 1991, 198 Abb. 9  –  11; 204. 1094 Golubović u. a. 2009, 55  –  63. 1095 Reis 2010, 162  –  166. 1096 Blänkle 2010, 277  –  292; Hahn 2010, 292  –  304. 1097 Ritterling 1912, 85  –  90. 1098 Ulbert 1969, 9. 16. 1099 Ritterling 1937, 23. 1100 Sorge 2002, 73.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Title
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Author
Christoph Hinker
Publisher
Österreichisches Archäologisches Institut
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
344
Keywords
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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