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18.1 Resümee
Die vorliegende Arbeit ist einem Brandbefund meh-
rerer Häuser der am westlichen Stadtrand des süd-
ostnorischen Munizipiums Flavia Solva-Wagna gele-
genen Insula XLI gewidmet. Die vom Ausgräber S.
Groh 1996 publizierte Periodisierung der Insula XLI
erlaubt eine Datierung dieses Brandbefundes in die
Regierungsjahre Marc Aurels um 170 n. Chr. Der
zeitlich für herkömmliche archäologische Methoden
exzeptionell exakt datierbare provinzialrömische
Siedlungsbefund bietet eine solide Basis für histori-
sche und kulturhistorische Überlegungen.
Ausgehend von den für die Studie herangezoge-
nen Überresten der materiellen Kultur wurden die
Aktivitäten in den Häusern und Hausbereichen der
Insula XLI während der Periode II bis zum Zeitpunkt
des Brandes thematisiert. Diesbezüglich konnten
besonders handwerkliche gewerbliche Tätigkeiten
wie Bein- und Buntmetallverarbeitung, aber auch die
Aufbereitung und Konsumation pflanzlicher und tie-
rischer Nahrungsmittel näher erfasst und beschrie-
ben werden. Im Rahmen der Auswertung hat sich
gezeigt, dass nach Evidenz der Befunde und Funde
gegenüber einer eindimensionalen Deutung von
Räumlichkeiten als Wohnbereich oder Küche oder
Werkstatt vielmehr mit einer multifunktionalen Nut-
zung von Aktivitätszonen zu rechnen ist. Von den
erschlossenen Nutzungskontexten ausgehend, wer-
den soziale und sozioökonomische Interpretationen
abgeleitet. In diesem Zusammenhang werden mög-
liche Interaktionen zwischen den Werkstätten und
die mögliche funktional differenzierte Nutzung von
Räumen durch beide Geschlechter berücksichtigt.
Neben der Rekonstruktion von Aktivitäten auf dem
Areal der Insula XLI bis zum Zeitpunkt des Brandes
konnten im Rahmen der Besprechung taphonomi-
scher Prozesse Indizien herausgearbeitet werden,
die auf menschliche Eingriffe unmittelbar nach dem
Brandereignis – etwa Aufräumarbeiten – deuten.
Abgesehen von dieser Aufbereitung, Auswertung
und Interpretation archäologischer Daten, die pri-
mär Beiträge zur Kulturgeschichte liefern, bildet
die Diskussion über eine Verbindung des Brand-
befundes der Insula XLI mit der historischen Über-
lieferung der Markomannenkriege ein zentrales
Anliegen der Untersuchung. Die vorliegenden Über-
reste der materiellen Kultur wurden hinsichtlich der
Möglichkeit dieser Verknüpfung genauso überprüft
wie die einschlägigen antiken Schriftquellen sowie
Forschungsgeschichte und Forschungsstand zu
diesem Themengebiet. Deutlich zeigt sich, dass die
Probleme im Fach primär in der Tradierung obso-
leter Forschungsergebnisse sowie der mangelnden
Bereitschaft zur Führung einer dialektischen Dis-
kussion anlässlich der historischen Interpretation
archäologischer Befunde liegen. Hinzu kommen
die überzogene und vorschnelle Verwertung antiker Literaturstellen im Rahmen der Deutung archäo-
logischer Befunde und Funde sowie mangelnde
archäologische Quellenkritik.
Nach eingehender Prüfung der angeführten Daten-
grundlage ist beim gegenwärtigen Forschungs- und
Diskussionsstand die These, dass es sich bei dem
vorliegenden Brandbefund der Insula XLI um Aus-
wirkungen eines lokal begrenzten Schadensfeuers
handelt gegenüber der Konstruktion eines Zusam-
menhangs mit einer Brandschatzung im Zuge der
schriftlich belegten Germaneneinfälle zu favorisie-
ren. In diesem Zusammenhang hat die vorliegende
Fallstudie gezeigt, dass sich diesbezügliche Aussa-
gen erstens an der Datengrundlage zu orientieren
haben, zweitens im konkreten Fall nur tendenziell
zu treffen sind1167 und drittens lediglich als vorläu-
fig gelten können, da sich nach der vorliegenden
Datenbasis momentan weder ein Schadensfeuer
noch ein feindlicher Überfall als Interpretationsan-
satz für den Befund stringent bestätigen oder aus-
schließen lassen.
18.2 Summary
This paper is dedicated to a burnt feature of several
houses of Insula XLI situated at the western sub-
urbia of the south-eastern Noric Municipium Flavia
Solva-Wagna. The 1996 periodisation published by
the archaeologist Stefan Groh allows the dating of
this burnt feature to the governing years of Marcus
Aurelius around 170 AD. By means of customary ar-
chaeological methods, this Roman provincial settle-
ment feature has been dated with exceptional preci-
sion and therefore offers a solid basis for historical
and cultural-historical considerations.
Based on the remains of material culture which were
used for the study, the activities in the houses and
domestic areas of Insula XLI during period II until
the fire were focused on as a central theme. It was
not only possible to compile and describe in particu-
lar craft and commercial activities, such as the pro-
cessing of bones and nonferrous metal, but also the
preparation of food made of plants and animals. In
the course of the evaluation it turned out that, ac-
cording to the evidence of the features and findings
towards a one-dimensional interpretation of rooms
as living area or kitchen or workshop, in fact a multi-
functional usage of activity zones must be taken into
consideration. Social and social-economic interpre-
tations are based on the context of use. In this con-
1167 Vgl. Alföldy 1986, 34: »Totale Objektivität oder absolute Er-
kenntnis existiert in unserer Wissenschaft nicht – ebenso-
wenig wie in anderen Wissenschaften; aber die objektive
Erkenntnis des Historischen ist zumindest in einem fragmen-
tarischen Rahmen und in einer approximativen Form möglich
[…]«. Weiterführend zum probabilistischen Erklärungsmodell:
Lorenz 1997, 79 f. 85.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Title
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Author
- Christoph Hinker
- Publisher
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321