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menhang mit der funktionalen Interpretation von
Raum E ist jedoch auch darauf hinzuweisen, dass
die Summe an Gefäßen, die einigermaßen plausi-
bel funktional mit der Vorratshaltung in Verbindung
gebracht werden dürfen (Kat. 131, vielleicht Kat. 49.
293 sowie eventuell Kat. 150. 152. 156), eher gering
ist. Der benachbarte Raum F, der vielleicht primär
als Küche angesehen werden darf, weist dagegen
eine größere Anzahl an Gefäßen (Kat. 41. 67. 68.
77. 93) auf, die mit größerer Wahrscheinlichkeit als
die angeführten Gefäße aus Raum E mit der Vor-
ratshaltung zu verbinden sind.
Inwiefern der Inhalt der Grube G21 tatsächlich mit
Aktivitäten in Raum E während Periode II/II+ ver-
knüpft werden darf, muss nach den Überlegungen
zu taphonomischen Prozessen (vgl. Kap. 7; 10.1)
offenbleiben. Aus der Grube G21 liegen jedenfalls
mit dem Teller Kat. 267 und der Schüssel Kat. 351
Keramiken vor, die als Tafelgeschirr anzusprechen
sind. Bei jenen Gefäßen aus Grube G21, deren
zugehörige Fragmente z. T. auch aus anderen Berei-
chen von Haus II stammen, könnte es sich nach der
Formgebung oder Größe durchaus um Vorratsge-
schirr handeln (Kat. 83. 90
– 91. 276). Nach der Dis-
tribution der Gefäßscherben – z. T. in Grube G21,
z. T. in Bereichen außerhalb – ist jedoch schwer zu
beurteilen, inwiefern diese Gefäße tatsächlich mit
einer Vorratshaltung in Raum E oder der Entsor-
gung geleerter und/oder unbrauchbar gewordener
Vorratsgefäße in Grube G21 verknüpft werden dür-
fen. Sekundäre Brandspuren an den Gefäßen spre-
chen dafür, als mögliche Ursachen der erwähnten
Distribution von Gefäßfragmenten auch Aktivitäten
nach dem Brand zu erwägen (vgl. Kap. 10.1).
Raum E war mit Raum F durch eine Tür ver-
bunden, von der die erwähnten Eisenbeschläge
Kat. 451 – 452 stammen könnten. Von den übrigen
aus Raum E vorliegenden Eisenfragmenten dürften
vermutlich zumindest die Nägel Kat. 483 – 485 und
460 – 461 sowie die Klammer Kat. 456 als Bauma-
terial anzusprechen sein. Das verziegelte Verputz-
fragment Kat. 431 illustriert die entsprechende Bau-
technik.
Raum F (Inventar: Abb. 15) ist durch das Keramik-
geschirrspektrum, ein Eisenmesser (Kat. 652) und
den Knochen mit Schnittspur Kat. 613 sowie die
Installation der Feuerstelle F13 wohl plausibel als
Küche und Speiseraum anzusprechen. Die Schüs-
seln Kat. 9 und 22 und den Topf Kat. 143 möchte ich
dem Kochgeschirr, die Kanne Kat. 45, den Becher
Kat. 211 und die Teller Kat. 274 und 634 dem Tafel-
geschirr zurechnen. Die Krüge Kat. 50 und 52 könn-
ten sowohl dem Tafel- als auch dem Vorratsgeschirr
angehören. Bemerkenswert ist das Fragment der
pompejanisch-roten Platte Kat. 327, das in Verbin-
dung mit den Getreideresten aus dem benachbar-
ten Raum E und der Feuerstelle F13 in Raum F vielleicht für die Zubereitung von Backwaren oder
zumindest warmen Speisen aus Rispenhirse spricht
(vgl. Kap. 11.1.2.5.2; 11.2.3).
Neben dem bereits erwähnten Unterkieferfrag-
ment eines Rindes mit Schnittspur Kat. 613 liegen
aus Raum F 40 g an weiteren Tierresten, darunter
Nachweise von Rind und Kleinwiederkäuer oder
Schwein, vor.
Die Töpfe Kat. 67, 68, 77 und 93 sowie die Schüs-
sel Kat. 41 dürften nach ihren Dimensionen bzw.
Auflagen (Kat. 77: Pichung) mit der Vorratshaltung
in Verbindung zu bringen sein. Vielleicht darf das
Bronzeartefakt Kat. 440 in diesem Zusammenhang
als Verschluss eines Behälters aus Textilien (Beutel,
Sack etc.) gedeutet werden (vgl. Kap. 11.1.3.2). Ein
ähnlicher Zweck darf vielleicht für den Bronzering
Kat. 645 in Betracht gezogen werden. Eine Verwen-
dung im Zusammenhang mit einem Kesselgalgen,
wie sie durch die Interpretation des Raumes als
Küche naheliegt, ist nach dem Herstellungsmaterial
wohl eher auszuschließen.
Der komplette Erhaltungszustand der Fibel Kat. 433
schließt eine Deutung als zur Wiederverwertung
gesammeltes Altmetall aus. Entweder handelt es
sich um einen Verlustfund, oder die Fibel wurde in
Raum E oder im Hausbereich über Raum E aufbe-
wahrt (vgl. Kap. 7.4).
Nach Ausweis der Gusstiegel Kat. 421 – 422 könnte
Raum G (Inventar: Abb. 16) in Zusammenhang mit
einer buntmetallverarbeitenden Werkstatt genutzt
worden sein (vgl. Kap. 13.2). Vielleicht wurde hier
Abfall deponiert, z. B. in Grube G23, und Altmetall,
wie etwa das Bronzefragment Kat. 441 oder der
Bronzeklumpen Kat. 819, zur Wiederverwertung
gesammelt. Die aus Raum G vorliegenden etwa
3,3 kg Schlacke Kat. 500 sowie Kat. 658 – 659 spre-
chen auch für Metallurgie, zumindest in Nachbar-
schaft von Raum G. Da eine als Herd oder Ofen
zu interpretierende Feuerstelle in Raum G fehlt,
dürfte sich die mit den charakteristischen Funden
zu verknüpfende Werkstatt wahrscheinlich zwar in
der Nähe, aber nicht in Raum G befunden haben.
Der Schleif- oder Wetzstein Kat. 506 könnte nach
den Angaben zum Fundort sowohl aus Raum E als
auch Raum G in Haus II stammen. Die Verknüp-
fung des Fundstücks mit dem vielleicht auch als
Magazin einer buntmetallverarbeitenden Werkstatt
anzusprechenden Raum G ist deshalb nicht eindeu-
tig möglich.
Neben den angesprochenen Gusstiegeln und
Schlacken liegen aus Raum G jedoch auch Gefäß-
keramikfunde vor, die eher eine multifunktionale
Nutzung dieses Raumes nahelegen und zeigen,
dass hier nicht nur Artefakte gelagert wurden,
die in Zusammenhang mit der Metallverarbeitung
zu sehen sind. Kochgeschirr ist durch die (Drei-
fuß- [?])-Schüsseln Kat. 10 – 11 und 19 belegt. Das
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Title
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Author
- Christoph Hinker
- Publisher
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321