Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Page - 69 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 69 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva

Image of the Page - 69 -

Image of the Page - 69 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva

Text of the Page - 69 -

69 selben Behältnis eher unwahrscheinlich ist (vgl. Kap. 11.1.3.1). Raum O dürfte nach Ausweis des Ziegelplatten- herdes oder -ofens F32 am ehesten als Wohnraum anzusprechen sein211. Auch die Fibel Kat. 435 und die Firmalampe Kat. 318 sprechen für diese Inter- pretation. Nach Ausweis der Gussformen Kat. 418  –  420 und dem gehäuften Nachweis von Beinartefak- ten (Kat. 513  –  524. 526  –  529. 539. 566. 574. 578. 582. 587. 590. 674  –  676) darf Raum P (Inventar: Abb. 20) wohl als multifunktionale Werkstatt, pri- mär zur Bein- und Buntmetallverarbeitung, gedeu- tet werden (vgl. Kap. 11.2.1; 13)212. Der konkrete Arbeitsschritt des Gießens könnte am Ziegelplat- tenherd F31 ausgeführt worden sein. Da bei der aus Raum P stammenden Taubenfibel Kat. 438 (Groh 1996, FI 24) Achse, Nadel und Spirale fehlen, könnte es sich entweder um ein Halbfabrikat aus dieser Werkstatt handeln, wobei zu bedenken wäre, dass entsprechende Gussformen allerdings nicht vorliegen, oder die Fibel war zur Reparatur oder als Altmetall zur Wiederverwertung vorgesehen (vgl. Kap. 11.1.3.2). Die Bronzefragmente Kat. 648  –  649 und das Bleifragment Kat. 651 könnten auch mit der Ausübung eines Metallhandwerks in Verbindung zu bringen sein. Die im Bereich der südwestlichen Ecke des Raumes P festgestellten 3,9 kg Schla- cke (Kat. 502  –  504) dürfen vielleicht als weitere Belege für eine metallurgische Nutzung von Raum P angeführt werden (Diskussion und Argumentation dagegen s. u., vgl. Kap. 11.1.4). Zwei Webgewichte (Kat. 642  –  643) liefern vielleicht einen Hinweis auf zusätzlich ausgeübte Textilverarbeitung, könnten jedoch auch als Universalgewichte im Rahmen anderer Tätigkeiten eingesetzt worden sein (vgl. Kap. 13.3). Zur Beleuchtung von Raum P dienten die Keramik- lampen Kat. 315 und 317. Das aus Raum P stammende Tafelgeschirr, darunter sind mit Kat. 338, 631 und 638 drei Teller sowie mit Kat. 366, 375, 379 und 412  –  413 fünf Schüsseln aus Terra Sigillata vertreten, unterstreicht die multifunkti- onale Nutzung des Raumes. Bemerkenswert ist der Teller Kat. 338 mit Graffito ATA, dass vielleicht als Besitzerinschrift auf eine Raum P frequentierende Person bezogen werden darf. Schließlich stammt aus dem Bereich im Südwesten des Raumes P auch Koch- (Schüsseln Kat. 16. 27  –  28. 690) und Vorratsgeschirr (Töpfe Kat. 79. 738), das vielleicht für entsprechende Aktivitäten in Raum P benutzt worden sein könnte. Es soll auch auf die Möglich- keit hingewiesen werden, die Fundevidenz des süd- westlichen Bereiches von Raum P auf eine ›Innen- Außen-Situation‹ zurückzuführen, d. h., in diesem 211 Groh 1996, 75. 212 Groh 1996, 73 f. Bereich könnten Abfälle aus Nutzungskontexten in Raum P entsorgt worden sein. Eine gewisse Bestä- tigung könnte dieser Deutungsversuch dadurch erfahren, dass die Schlacken Kat. 502  –  504 als Abfälle in diesem Bereich deponiert worden sein könnten. Diesbezüglich ist jedoch relativierend ein- zuräumen, dass die aus dem Bereich im Südwesten des Raumes P vorliegende Schlacke nicht zwin- gend auf metallurgische Aktivitäten in diesem Raum (oder dessen näherer Umgebung) zurückzuführen sein muss. Verschlackungen können sich schließ- lich auch unter starker Hitzeeinwirkung, z. B. wäh- rend des Brandes um 170 n. Chr., von dem nach- weislich auch Haus IV betroffen war, gebildet haben (vgl. Kap. 11.1.4). Nachdem für Raum P sowohl Koch- als auch Tafel- geschirr vorliegt und aufgrund der Beinartefakte mit der Ausübung entsprechender handwerklicher Tätigkeiten zu rechnen ist, muss offenbleiben, ob jene Tierreste von Rind und Schwein, die keine kon- kreten Bearbeitungs- oder Zerlegungsspuren auf- weisen, eher mit der Aufbereitung oder Konsuma- tion tierischer Nahrung oder der Beinverarbeitung in Verbindung zu bringen sind. Nachdem wir für die Beinverarbeitung von einer bevorzugten Auswahl bestimmter Rinderknochen ausgehen dürfen (vgl. Kap. 11.2.1; 13), dürfte zumindest für die vorlie- genden, von Schweinen stammenden Tierreste ein Zusammenhang mit der Nahrungszubereitung oder -aufnahme naheliegen. Die Abfallstücke und Halbfabrikate Kat. 507, 509  –  512, 530  –  538, 540  –  549, 551  –  553, 564  –  565, 567, 572  –  573, 576  –  577, 579, 581, 584, 589, 591  –  593, 677  –  679 lassen die Unterbringung einer beinverarbeitenden Werkstatt in Raum Q (Inven- tar: Abb. 21) plausibel erscheinen (vgl. Kap. 11.2.1; 13)213. Der vergleichbare Befund in Raum P legt nahe, die Räume P und Q als einen zusammenge- hörigen Werkstattkomplex zu betrachten. Hinsichtlich der Distribution der Beinartefakte in den Räumen P und Q ist bemerkenswert, dass die neutral als Leisten (z. T. mit Gehrung ver- sehen: Kat. 516  –  523) und die als Halbrund- stäbe (Kat. 513  –  515) angesprochenen Fundstü- cke auf Raum P beschränkt sind, während als Griffe (Kat. 509  –  512) und Verkleidungsplatten (Kat. 530  –  538. 540  –  541) interpretierte Gegen- stände sowie die formal homogene Gruppe von stabförmigen Halbfabrikaten mit rechteckigem Querschnitt (Kat. 542  –  547) ausschließlich aus Raum Q stammen. Vielleicht dürfen wir dieses Verteilungsmuster der Funde auf unterschiedliche spezialisierte Tätigkeiten oder verschiedene Ferti- gungsschwerpunkte in den Räumen P und Q bezie- hen. Da nicht nur die Griffe Kat. 509  –  510 aus Raum Q, sondern wahrscheinlich auch die Halbrundstäbe 213 Groh 1996, 75.
back to the  book Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva"
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
FWF-E-Book-Library
Title
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Author
Christoph Hinker
Publisher
Österreichisches Archäologisches Institut
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
344
Keywords
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva