Page - 101 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Image of the Page - 101 -
Text of the Page - 101 -
101
Drag. 37 angelehnt. Der Gefäßkörper kann mit
Rädchen- oder Strichkerbendekor versehen sein.
Vergleichbar der Form Drag. 37 bleibt eine Zone
unter der Mündung frei von Dekor. Die Schüsseln
Kat. 247 – 249 können dem definierten Typ 2 zuge-
ordnet werden. Die Schüssel Typ 2 entspricht den
Formen »ITS 14« in Poetovio-Ptuj419 oder Sü 5.2
»halbkugelige Schüssel mit verdicktem Rand« in
Carnuntum-Petronell420. Die Schüsseln mit Über-
zug werden der sog. Pannonischen Glanzton-
ware zugerechnet. Die Herstellung der oxidierend
gebrannten Variante ist ab spätflavischer Zeit für die
Töpfereien von Poetovio-Ptuj421, die Produktion der
reduzierend gebrannten Variante für jene der cana-
bae legionis von Vindobona-Wien belegt422. Auch
für Aquincum-Budapest darf von einer Produktion
ausgegangen werden423. Weitere Vergleichsbei-
spiele oder Typvertreter sind in Emona-Ljubljana424,
Flavia Solva-Wagna425, Maria Lankowitz426, Poe-
tovio-Ptuj427, Sirmium-Sremska Mitrovica428, Teur-
nia-St. Peter in Holz429, Vindobona-Wien430 und
Virunum-Zollfeld431 nachgewiesen. Die zeitlich
engsten Parallelen für die Schüsseln Kat. 247 –
249
aus Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia Solva-
Wagna liegen aus dem 179 n. Chr. abgebrannten
Holz-Erde-Kastell von Celemantia-Iža432 und einem
um 170 n. Chr. zu datierenden, nach Funden ver-
brannter Terra Sigillata entsprechender Zeitstel-
lung erschlossenen Brandbefund in Mangolding/
Mintraching (Herzogmühle)433 vor. Typvertreter aus
Carnuntum434, die zeitlich dem letzten Viertel des
3. Jahr hunderts n. Chr. zuzuordnen sind, belegen
419 Istenič 1999, 98 Abb. 85; 100; Istenič 2000, 26. 267 Taf. 7, 1
(Grab 25, Domitian–Anfang 2. Jh. n. Chr.).
420 Adler-Wölfl 2004, 41 Abb. 15; 44 – 45 (2.–Mitte 3. Jh. n. Chr.,
Parallelen: Flavia Solva-Wagna, Virunum-Zollfeld, Strigova,
Magyarszerdakely); Petznek 2006, 136 f. 261 Taf. 9, 3. Parrer
2008, 221. 227 f. 231 Taf. 29, 33.
421 Curk u. a. 1984, 64 (Komplex A, ab Ende 1. Jh. n. Chr. [?]);
Vomer Gojkovič 1993, 463 f. Taf. 7, 2; 8, 6.
422 Kronberger 2004, 90. 94 – 96. 104 f. Taf. 2 (Töpferofen 2).
423 Póczy 1956, 121. 123 f. Abb. 10, 1 – 2 (Papföld-Werkstätte).
424 Plesničar-Gec 1972, 176 Taf. 39, 6 (Grab 141).
425 Groh 1996, 191 Taf. 35, K87 (Insula XLI, Grube G7, Baupe-
riode III+, nach 278 – Mitte 4. Jh. n. Chr.). Seehauser 2007,
132. 150 f. 165 Taf. 3, 24 (Insula XLIII, SE 3, 300 – 360/370 n.
Chr.).
426 Bauer 1997, 121. 173 Taf. 32, L30 (Franziskanerkogel).
427 Jevremov 1985, 424 Taf. 1, 5. 7.
428 Brukner 1981, 88 Taf. 70, 12.
429 Gugl – Sauer 1998, 217. 239 Taf. 2, 51 – 52 (2.–3. Jh. n. Chr.).
430 Mosser u. a. 2010, 180 f. 351 Taf. 5, KE147 (Fundkomplex
40, 2. Jh. n. Chr.); 201. 373 Taf. 27, KE635 (Fundkomplex 85,
Ende 2. Jh. n. Chr.).
431 Zabehlicky-Scheffenegger 1997, 183. 185 f. Abb. 3, 18; Do-
lenz u. a. 2004, 150 Abb. 8, 6 – 7 (Sickerschächte 1 – 2, Ende
1./Anfang 2. Jh. n. Chr.).
432 Kuzmová 1997, 48 f. Abb. 2 – 3.
433 Fischer 1990, 269, Taf. 152, 163 (Ende Periode A2 [?]).
434 Gassner 2006, 33. 37 Abb. 2, 570/84. 476/84 (Grubenhaus K
83/1, Verfüllung). eine relativ lange Laufzeit. Die angeführten Paral-
lelen sprechen für eine Ausdehnung der definier-
ten Mindestlaufzeit vom ausgehenden 1. bis in das
3. Jahr hundert n. Chr. Fraglich ist, ob wir nach den
zitierten datierten Befunden in Flavia Solva-Wagna
von einer weiteren Ausdehnung der Laufzeit bis in
das 4. Jahr hundert n. Chr. ausgehen dürfen. Es gilt
zu bedenken, dass sich der Zeitpunkt der Bildung
dieser (oder allgemein von) Schichten und Verfül-
lungen nicht (mehr) mit der Verwendungszeit enthal-
tener Artefakte decken oder überschneiden muss.
Entsprechend der Form Drag. 37 darf von einer
Funktion der Schüssel Typ 2 innerhalb des Tafelge-
schirrs ausgegangen werden.
Von den drei aus Periode II/II+ der Insula XLI von
Flavia Solva-Wagna vorliegenden Typvertretern
sind zumindest zwei dem reduzierend gebrannten
Fabrikat F8 zuzurechnen.
Schüssel Typ 3 (Kat. 250 – 252)
Die großen Schüsseln aus sog. feiner Gefäßke-
ramik sind durch einen abgerundeten Wandungs-
knick und ein verdicktes, nach außen orientiertes
rundliches Mündungsprofil gekennzeichnet. Mün-
dung und Wandknick sowie die nahezu konkave
Zone dazwischen geben der Schüssel eine cha-
rakteristisch geschwungene Mündungspartie. Die
Standfläche wird durch einen Standring gebildet.
Der Gefäßkörper ist durch horizontale Absätze und
Rillen gegliedert.
Die großen Schüsseln Kat. 250 und Kat. 252
sind dem Typ 3 zuzuweisen. Das Bodenfragment
Kat. 251 dürfte nach den formalen Ähnlichkeiten mit
der komplett rekonstruierbaren Schüssel Kat. 252
sehr wahrscheinlich von einer Schüssel vom Typ 3
stammen.
Typ 3 entspricht weitgehend dem Typ »Schüssel
mit gekehltem Oberteil 1« aus Favianis-Mautern435.
Parallelen sind im Stadtterritorium von Flavia Solva-
Wagna in den Villen von Grafendorf 436, Grünau437
und Rannersdorf438 sowie in Lassenberg439 nach-
gewiesen. Diese Vergleichsbeispiele erlauben eine
Ausdehnung der Laufzeit von Typ 3 auf zumindest
das gesamte 2. Jahr hundert n. Chr.
Ähnliche Fundumstände innerhalb von Haus II sowie
die vergleichbaren Durchmesser legen nahe, dass
es sich bei Deckeln des Typs 3, wie Kat. 305, um
Deckel großer Schüsseln des Typs 3, wie Kat. 250,
handeln könnte. Die Funktion der Schüsseln vom
Typ 3 ist nicht sicher zu bestimmen. Nach der Größe
handelt es sich vielleicht um Vorratsgeschirr.
435 Sedlmayer 2006a, 290; Beil. 22 (mit weiteren Nachweisen
aus Favianis-Mautern, Karlstein und Ratschendorf).
436 Bellitti 2008, 51 f. Abb. 10, 520.
437 Lamm 2009, 114 f. Abb. 37, 9.
438 Schrettle – Tsironi 2007, 272. 311 Taf. 22, 1 (SE 97,
100 – 170 n. Chr.).
439 Lamm 2000, 53 Nr. 24.
back to the
book Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva"
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Title
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Author
- Christoph Hinker
- Publisher
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321