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Die aus Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia
Solva-Wagna vorliegenden Typvertreter sind dem
reduzierend gebrannten Fabrikat F8 und dem vor-
wiegend reduzierend gebranntem Fabrikat F8/7
zuzurechnen.
Schalen bzw. Schüsseln ohne Typenbildung
(Kat. 253 – 259)
Bei verschiedenen Schalen- und Schüsselformen
wurde wegen des fragmentarischen Erhaltungszu-
standes und geringen Nachweises auf eine Typen-
bildung verzichtet.
Das Mündungsfragment Kat. 253 besitzt ein durch
eine horizontale Rille leicht abgesetztes, horizontal
nach außen gestelltes Mündungsprofil. Der Gefäß-
körper weist einen horizontalen Grat auf.
Das Mündungsfragment Kat. 254 könnte sowohl
von einer Schale als auch von einem Faltenbecher
stammen. Der Randbereich des Gefäßes weist ein
leicht geschwungenes Profil auf. Der Gefäßkörper
ist durch eine horizontale Rille gegliedert. Geringfü-
gige Spuren von sog. Griesbewurf sind erhalten.
Das Mündungsfragment einer Schale oder Schüs-
sel Kat. 255 besitzt abgesehen vom deutlichen
Wandumbruch kaum signifikante formale Merkmale.
Ein besser erhaltenes Vergleichsstück liegt aus
Grab 1/2006 des Gräberfeldes Marburgerstraße
von Flavia Solva-Wagna vor440.
Das Mündungsfragment Kat. 256 weist ein für das
Stadtterritorium von Flavia Solva-Wagna untypi-
sches Rollrädchenmuster auf.
Die Keramikfragmente Kat. 257 dürfen vielleicht
einer schüssel- oder kelchartigen Form zuzuwei-
sen sein. Dass es sich um einen Deckel handelt,
ist grundsätzlich nicht auszuschließen, wegen der
geringen Auflagefläche bei korrekter Orientierung
jedoch unwahrscheinlich.
Die Schüssel Kat. 258 ist durch das leicht verdickte
und schräg nach außen geneigte Mündungsprofil
sowie mehrere horizontale plastische Leisten, die
den Gefäßkörper gliedern, gekennzeichnet. Gewisse
formale Ähnlichkeiten bestehen zu spätlatènezeit-
lichen ›gerippten‹ Keramikpokalen, die beispiels-
weise in Novo mesto nachgewiesen sind441.
Die anpassenden Fragmente Kat. 259 weisen
starke sekundäre Brandspuren auf. Die Signifikanz
der Fragmente liegt primär im Nachweis taphonomi-
scher Prozesse. Es ist nicht zu entscheiden, ob es
sich um autochthone oder importierte Feinkeramik
oder Terra Sigillata handelt.
440 Hinker 2007, 92. 100. 106 Taf. 2, 6 (Anfang 2. Jh. n. Chr.).
441 Knez 1992, 36 Taf. 19, 3 (Grab 56); 54 Taf. 50, 5; Taf. 90
(Grab 139). Knickwandschalen bzw. -schüsseln ohne Typenbil-
dung (Kat. 260 –
262)
Auch bei verschiedenen Knickwandschalen oder
-schüsseln wurde wegen des fragmentarischen
Erhaltungszustandes und geringen Nachweises auf
eine Typenbildung verzichtet.
Parallelen zu den Knickwandschalen oder -schüs-
seln Kat. 260 – 261 aus sog. pannonischer Glanz-
tonkeramik sind in Carnuntum442 und Vindobona-
Wien443 nachgewiesen. Kat. 261 entspricht dem Typ
S2 »hohe, kelchartige Schüsseln« aus Gleisdorf444.
Das Wandfragment Kat. 262 ist durch den primär für
die Form Schörg. 361 sowie Deckel der sog. gro-
ben Gefäßkeramik typischen Rollrädchendekor und
horizontale Rillen gekennzeichnet. Das festgestellte
Fabrikat entspricht jedoch eher Fabrikat F8 der sog.
feinen Gefäßkeramik, für das jedoch Nachweise
von Typvertretern Schörg. 361 fehlen.
Teller Typ 1 (Kat. 263 – 269), Variante 1.1 (Kat. 270),
ohne Typbildung (Kat. 271 – 272)
Teller vom Typ 1 sind durch den gerundeten, schräg
nach außen bis nahezu vertikal orientierten Rand
gekennzeichnet. Der Boden kann an der Innen-
seite mehrere konzentrische Kreisrillen aufweisen.
Der Boden ist gegen das Zentrum hin gewölbt, d.
h., lediglich der äußerste Rand des Bodens bildet
die Standfläche des Tellers. Die Teller Kat. 263 –
269
können dem Typ 1 zugeordnet werden. Eine ent-
sprechende Zuordnung der Bodenfragmente
Kat. 271 – 272 ist wahrscheinlich, aber nicht gesi-
chert.
Der Teller Typ 1 entspricht weitgehend dem Typ
»Teller mit Steilrand 1.2.1« aus dem Vicus von
Saaz445 sowie der Tellerform »PD3« aus Poetovio-
Ptuj446.
Der Teller Kat. 263 ist im Zentrum der Bodeninnen-
seite mit einem Stempelabdruck in planta pedis
versehen. Vergleichbare Stempelabdrücke auf for-
mal ähnlichen Tellern sind in Poetovio-Ptuj nach-
gewiesen: AVENIA und AVINIA447, CDICFF448,
442 Grünewald 1983, 27 Taf. 32, 3.
443 Pavić 2004, 122 Taf. 1, 1.I.
444 Artner 1994, 27 – 29 Abb. 13; 65 Taf. 1, 4 (Grab 1, Ende 1.–
Anfang 2. Jh. n. Chr.); 66 Taf. 3, 2 (Grab 6, Ende 1.–2. Jh. n.
Chr.); 66 f. Taf. 4, 8 (Grab 7a, Ende 1.–Anfang 2. Jh. n. Chr.).
445 Sedlmayer 2006, 147 f. Abb. 98 (Hauptvorkommen: Perio-
de 4, 170/180 – 230 n. Chr.; Nachweise in Celeia-Celje, Co-
latio-Stari trg, Flavia Solva-Wagna [Insula XLI, Grube G36,
150/160 n. Chr.], Gleisdorf, Kalsdorf [Grube 11, 2. Hälfte 2.
Jh. n. Chr.], St. Martin an der Raab, Stallhofen).
446 Istenič 1999, 117 Abb. 102; 119 (spätflavisch–1. Hälfte 2.
Jh. n. Chr.).
447 Korošec 1980, 21 f. Taf. 2, 2 (1. Jh. n. Chr., nach Stempelform
und Fundvergesellschaftung). Zu planta pedis-Stempelab-
drücken auf Pannonischer Glanztonware in Nordwestpanno-
nien: Adler-Wölfl 2004, 96 f. 105.
448 Istenič 2000, 217 Taf. 144, 8 (Grab 647, t.p.q.: Traian).
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Title
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Author
- Christoph Hinker
- Publisher
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321