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konnte am Fallbeispiel Britanniens gezeigt werden,
dass an Siedlungsstellen, für die mit einem höheren
Romanisierungsgrad zu rechnen ist, Rinder- und
Schweineknochen überwiegen, während Tierreste
von Kleinwiederkäuern eher im Tierartenspektrum
autochthon geprägter Siedlungen verhältnismä-
ßig zunehmen732. Die Annahme, dass dieses Bild
tendenziell auf Traditionen der jüngereisenzeitli-
chen Nutztierhaltung zurückzuführen ist, wäre für
Südostnoricum noch zu verifizieren. Die Befunde
der Heiligtümer vom Frauenberg sind in diesem
Zusammenhang hinsichtlich der Zusammensetzung
der Tierknochen wegen der vorliegenden kultisch
bedingten Selektion nicht heranzuziehen733.
Nach der Feststellung eindeutiger Bearbeitungs-
spuren zur Gewinnung und Aufbereitung tierischer
Nahrung sowie zur Erzeugung von Bein- und Horn-
gegenständen (vgl. Kap. 11.2.2) sind etwa 1 326 g
(117 Stück) der Tierreste als Artefakte, d. h. Tier-
reste mit verschiedenen Bearbeitungsspuren, die
von einfachen Schnittspuren bis zur Drechslerei
reichen, anzusprechen. Während einfache Hack-
und Schnittspuren primär mit der Fleischproduktion,
Küchenabfällen oder Speiseresten zu verbinden
sind, belegen typische Werkzeugspuren (Raspel,
Säge etc.) die Produktion von Beingegenständen
(vgl. Kap. 13.1). Etwa 1 548 g der vorliegenden Tier-
reste weisen keine Bearbeitungsspuren auf, obwohl
auch für diese Knochen und Knochenfragmente ein
Zusammenhang mit der Fleischproduktion oder eine
Deutung als Küchenabfälle naheliegend ist. Proble-
matisch bezüglich einer Zuweisung von Beinarte-
fakten an die Nahrungsauf- und/oder -zubereitung
oder die Herstellung von Beingegenständen sind
Sägespuren. Lediglich geringfügige Sägespuren
an einem Knochen könnten auch mit der Zerlegung
des Tieres durch den Metzger, z. B. bei der Portio-
nierung von fleischtragenden Teilen im Rahmen des
Handels, Bereitstellung von ›Suppenknochen‹ etc. in
Zusammenhang zu bringen sein (vgl. Kap. 13.1)734.
Dass sich verschiedene Arbeitsschritte zur Aufberei-
tung tierischer Nahrung durchaus als verschiedene
Spuren an Knochen abzeichnen können, zeigen
zerhackte Rinderlangknochen aus Zwammerdam,
die als Belege einer römerzeitlichen Suppenküche
gedeutet wurden735. Hinsichtlich des Verarbeitungs-
prozesses konnten Spuren vom Auslösen des Kno-
chens, vom Abtrennen einzelner Knochen aus dem
Verband und spezielle Spuren der Weiterverarbei-
tung differenziert werden736.
732 Cool 2006, 80. 83.
733 Grill 2005, 177 – 180.
734 Dagegen und für eine ausschließliche Verknüpfung von Sä-
gespuren mit der Beinverarbeitung: Deschler-Erb 2012c, 145.
735 Van Mensch 1974, 159 – 164. Skepsis zur Deutung des Be-
fundes: Vanderhoeven – Ervynck 2007, 160.
736 Van Mensch 1974, 161. Von den zur Herstellung von Beingegenständen her-
angezogenen Tierresten konnten immerhin 895 g
oder 59 Stück hinsichtlich der Tierart mit einiger
Sicherheit bestimmt werden. Deutlich zeichnet sich
die bevorzugte Verwendung von Rinderknochen mit
877 g oder 57 Stück ab. Davon konnten immerhin
42 Stück hinsichtlich des bearbeiteten Knochens
näher bestimmt werden. Diesbezüglich ist eine
deutliche Bevorzugung von Lang- bzw. Röhrenkno-
chen (22 Stück) sowie Schulterblättern (16 Stück)
festzustellen. Bei lediglich drei Beinartefakten dürfte
es sich um bearbeitete Rippenteile handeln.
Ein Hornfragment (Kat. 609) stammt ebenfalls von
einem Rind (Abb. 36).
Lediglich 8 g oder zwei der zur Produktion von Bein-
artefakten verwendeten Knochen stammen von
Kleinwiederkäuern.
Nach den vorhandenen Hack- und Schnittspuren,
die auf den aus der Periode II/II+ der Insula XLI
von Flavia Solva-Wagna stammenden Tierknochen
beobachtet werden konnten, sind lediglich 171 g
oder 13 Knochenfragmente primär als Küchenab-
fälle anzusprechen. Die geringe Menge der vorlie-
genden Küchenabfälle relativiert die Aussagekraft
empfindlich, besonders hinsichtlich einer Betrach-
tung nach Häusern der Insula XLI. Während für
Haus IV bzw. Grube G32 mit 9 g oder einem Arte-
fakt eine zu vernachlässigende Größe vorliegt, sind
für Haus II immerhin 89 g oder acht Artefakte sowie
für Haus V wenigstens 73 g oder vier Artefakte mit
Hack- und Schnittspuren anzuführen. Hinsicht-
lich der bevorzugten Tierarten und Teilstücke ist
auf das Überwiegen von Rinderknochen (6 Stück),
insbesondere Rippen (4 Stück), sowie Knochen
vom Schwein (4 Stück), davon wenigstens zwei
Beckenknochen, hinzuweisen. Drei Knochenfrag-
mente (von Becken, Oberarm und Rippe), die als
Küchenabfälle zu interpretieren sind, stammen von
Kleinwiederkäuern. Sowohl fleischreiche Knochen
(humerus Kat. 616, femur Kat. 619. 621) als auch
fleischärmere Knochen (Unterkiefer Kat. 613) sind
vertreten.
Sowohl nach Gewicht als auch nach Menge stam-
men die meisten Beinartefakte der Insula XLI von
Flavia Solva-Wagna aus Haus IV. Insgesamt liegen
aus Haus IV 88 Artefakte oder 656 g an Tierres-
ten mit Bearbeitungsspuren vor, die Periode II/II+
zuzurechnen sind. Die Verteilung der Beinartefakte
im Bereich von Haus IV zeigt drei Konzentratio-
nen: Raum P (23 Artefakte), Raum Q (36 Artefakte)
und Grube G32 (22 Artefakte) (vgl. Kap. 10). Wei-
tere fünf Artefakte stammen aus dem Bereich vor
Raum Q und dürfen deshalb vielleicht diesem zuge-
rechnet werden. Das Artefakt Kat. 587 stammt aus
dem Bereich vor Raum P und dürfte somit diesem
Raum des Hauses IV zuzuordnen sein. Das Artefakt
Kat. 550 ist nach der nicht näher zu bestimmenden
Fundlage in Quadrant G12 keinem der vier Räume
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Title
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Author
- Christoph Hinker
- Publisher
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321