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LOTHAR
HÖBELT16
sprochener „Parteimann“ gelten. Allenfalls Hohenwart wurde im Laufe der
Zeit dazu, allerdings erst Jahre nach seinem Ministerium; sie alle hatten als
Statthalter auch schon dem liberal-zentralistischen Ministerium Schmerling
gedient. Ihre Ministerien galten als „Ausgleichs-“ oder „Kaiserministerien“,
die über den Parteien stehen sollten. Erst die Opposition der Liberalen trieb
sie den Konservativen in die Arme. Sie alle brachten Verständnis für die
Anliegen der Konservativen auf, das jedoch von voller Identifikation weit
entfernt war. Nicht zufällig kritisierte Egbert in seinen Tagebüchern rück-
blickend „die Taubensanftmut und Energielosigkeit des Regiments meines
Bruders“2.
Egbert Belcredi hingegen war ein konservativer Parteimann, der bewusst
und selbstbewusst auf den Zinnen der Partei stand, die Parteibildung zur
„Lebensfrage der Zeit“ erklärte, ja den Mangel an Parteien geradezu für ei-
nen „Beweis politischer Unreife“ hielt.3 Das war ein ungewöhnliches Phäno-
men in einer Zeit, die Parteien gern mit „faktiöser Opposition“ und unpatri-
otischen Spaltungstendenzen gleichsetzte, wie das gerade für Konservative
im weiteren Sinn des Wortes galt, die Angst vor revolutionären Umtrieben
hatten und, wie Egbert einmal schrieb, deshalb nach 1848 von einem „Fa-
natismus der Ruhe“ erfüllt waren.4 Konservativ in diesem un- oder vorpoli-
tischen Sinn des Wortes war freilich auch das Gros der bürgerlichen Libera-
len, die Taaffe mit seinem Talent für einprägsame Formeln einmal spöttisch
so charakterisierte: Die Hälfte von ihnen seien Aktionäre, die Hälfte Reak-
tionäre.
Unter Konservativen im engeren Sinn verstand man im alten Österreich
zunächst die föderalistische, staatsrechtliche Opposition, die bald in den
Nationalparteien, z. B. der Tschechen oder Slowenen, aufging oder doch ein
enges Bündnis mit ihnen einging; dann aber im Zuge des Kulturkampfes
in erster Linie die „Klerikalen“, sprich: die katholischen Volksparteien, die
in den meisten Alpenländern zweifellos eine „schweigende Mehrheit“ hinter
sich wussten, „schweigend“ deshalb, weil sie im Rahmen des Kurienwahl-
rechts nicht so recht zur Geltung kam. Mit beiden Erscheinungsformen des
altösterreichischen Konservativismus hat Egbert Belcredi im Laufe seiner
politischen Laufbahn immer wieder kooperiert.
Seine Heimat Mähren war zudem ein Land, wo beide Strömungen in ei-
nem viel größeren Ausmaß übereinstimmten als in dem – auf deutscher wie
auf tschechischer Seite – freisinnig geprägten, industriellen Böhmen. Ein
Anliegen, das katholische Beweggründe mit nationalen zu verbinden suchte,
2 Tagebuch (weiterhin nur Tb.) 8.6.1867.
3 Tb. 15.7.1850, 5.9.1851.
4 Tb. 24.1.1852.
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115