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selbständig einen bestimmten Kurs zu steuern, und in der Wahl seiner Rat-
geber wechselnd und nicht glücklich.
Nach oben scheint er in diesem Augenblick nicht gut zu stehen, deshalb
sucht er Unterstützung.
11. April 1852
Vor einigen Tagen brachten die Zeitungen die Nachricht vom Tode des Mi-
nisterpräsidenten Fürst Felix Schwarzenberg.108
Außer bei den Beamten, welche seinen Alter Ego Bach jetzt gewaltig
schwanken sehen, bedauert ihn trotz offiziellem Zeitungslamento wahr-
scheinlich niemand. Der Adel verliert an ihm einen heftigen Gegner109 und
hofft von der wahrscheinlichen Ministerpräsidentenschaft Kübecks, eines
Mannes von aufgeklärt konservativer Gesinnung, verdiente Beachtung.110
Schwarzenbergs gänzliche Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse und
der Umstand, dass er Bach nach Gutdünken schalten ließ, die in ein System
gebrachte Nichtbeachtung der natürlichen konservativen Stützen des Staa-
tes im Volke und die über alles Maß getriebene Pflege der Bürokratie sowie
die blindwütige Demokratenverfolgung, welche dieser [Bewegung] mehr ge-
nützt als geschadet hat, lässt mich seinen Tod als ein glückliches Ereignis
für Österreich betrachten! Nach einiger Zeit wird wohl auch sein Freund
Bach entlassen werden.
108 Felix Prinz zu Schwarzenberg (1800–1852) starb am 5. April.
109 Schwarzenberg hatte keine gute Meinung über die Arbeitskraft des Adels, war derselben
Meinung wie Innenminister Stadion, dass es notwendig sei, den Haupteinfluss im Staate
den Bürgern sowie Personen aus Geschäfts- und Industriekreisen zu gewähren.
110 Karl Friedrich Freiherr Kübeck von Kübau (1780–1855) stammte aus einfachen Verhält-
nissen, war Sohn eines Schneiders aus Iglau, 1816 geadelt, 1825 in den Freiherrnstand
erhoben. 1840 wurde er Präsident der Hofkammer. 1848 zog er sich ins Privatleben zu-
rück. Ab Herbst 1850 war er Präsident des Reichsrats. Nach dem Tod Schwarzenbergs,
als sich Kübeck scharf gegen Bach als Nachfolger Schwarzenbergs als Ministerpräsi
dent
aussprach, bot Franz Joseph dieses Amt Kübeck an. Kübeck lehnte mit der Begründung
ab, dass diese Stellung mit der Funktion des Präsidenten des Reichsrats unverein
bar sei.
Vgl. friedJung, Österreich 2/1, 171f; 1, 450f. Der Adel irrte jedoch in der Annahme, dass Kü-
beck ihm die Stellung gegeben hätte, auf die er Anspruch erhob. Kübeck wollte die Leitung
im Staate der Bürokra
tie anvertrauen, da er über die Fähigkeiten des Adels eine genau so
geringe Meinung hatte wie Schwarzenberg. Über das, was Kübeck dem Adel in den geän-
derten Zeiten empfahl, zeugt sein Eintrag: „Die Herrschaft der Kasten – ob gut, ob schlecht
– hat ihr Ende erreicht. Will der Adel retten, was noch zu retten ist, so verwende er sich,
wie einst in den Waffen, heute in Aneignung von Kenntnissen und erwerbe sich, was ihm
durch seine Mittel und seine Stellung leicht ist, das Licht der Tugend und des Wissens und
er wird im edleren Sinne gewinnen, was er an Privilegien und materiellen Gütern verloren
hat.“ Friedrich Walter, Aus dem Nachlass des Frei
herrn Carl Friedrich Kübeck von Kübau.
Graz – Köln 1960, 90 (15. März 1852).
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Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115