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INGROWITZ, 25. JÄNNER 1853 129
gründlich angefeindet, trat er im Jahre 1848 nach Ausbruch der allgemeinen
Bewegung in den Hintergrund,150 ward nach Frankfurt abgeordnet151 und
nach allgemeiner Herstellung der Ruhe von den zahllosen Gutgesinnten, die
jetzt wieder ein Herz gefasst hatten, als ein Urheber der Revolution noch
gründlicher gehasst. – Er besaß bei vielem Geiste eine maßlose Eitelkeit und
Hang zu Paradoxen. Das Verdienst aber, seine Standesgenossen auf manche
Dinge aufmerksam gemacht zu haben, welche sie nie aus dem Gedächtnis
verloren haben sollten, ist ihm nicht zu bestreiten.
150 Im Prager Bürgerausschuss, der in der Versammlung am 11. März 1848 gewählt wurde,
später St. Wenzelsbad-Ausschuss (nach dem Ort des Zusammentreffens) genannt, war
Deym nicht vertreten, obwohl er bei die ser Versammlung anwesend war. Wegen seines
neutralen Standpunkts gegenüber Tschechen und Deutschen war Deym bei der tschechi-
schen Bevölkerung unbe
liebt. In der Bohemia veröffentlichte er am 22. März 1848 den Ar-
tikel „Die Stände des Königreiches“. Darin informiert er über das ergebnislose Bemühen
der böhmischen Stände, sich nach den Pariser Ereignissen zusammenzuschließen; auch
löste er sich von seiner Vorstellung, dass zuerst der alte Rechtszu stand erneuert und dann
erst die notwendigen Reformen durchgeführt werden sollten. Deym hielt auch fest, dass
der St. Wenzelsbad-Ausschuss seine Tätigkeit einzustellen habe, sobald die erste Prager
Deputation mit einem günstigen Ergebnis aus Wien zurückkehre. Danach erst sollten
von der Ständeversammlung, einberufen für den 30. März, dem Herrscher die Forderung
der Stände nach Vereinigung Böhmens, Mäh rens und Schle siens zu einem gemeinsa-
men Gebilde sowie Vorschläge zur Abände rung der Landesverfassung unterbreitet wer-
den. Bereits auf dieser Versammlung sollten alle Abgeordne
ten der königlichen Städte,
alle städtischen Gutsbesitzer und Vertreter größerer und bedeutende rer nicht königlicher
Städte frei gewählt werden. Jan Matouš černý, Boj za právo. Sborník aktů politických ve
věcech státu a národa českého od roku 1848 [Der Kampf um das Recht. Sammlung von
politischen Aktenstücken in Sachen des böhmischen Staates und Volkes vom Jahre 1848],
2 Bde., Prag 1893 [Neuauflage 2007]; hier: Bd. 1, 42–44. Zu Deyms Stellung gegenüber
den tschechischen Forderungen im Gewerbeverein [Průmys
lová jednota] siehe Jan heid-
ler – Josef Šusta, Příspěvky k listáři Dra. Frant[iška] Lad[islava] Riegra [Beiträge zum
Briefverzeichnis Dr. Franz Ladislaus Riegers], 2 Bde., Prag 1924–1926, hier Bd. 1, 16f.
Verbürgt ist Deyms Teilnahme an den Beratungen zur Aufhebung des Robots sowie in der
ersten Hälfte des April 1848 die Wahl in den Nationalausschuss. Noch im selben Monat
trat er gänzlich in den Hintergrund: Zu den Ursachen zählte, dass er nicht so weit gehen
wollte, wie es den Forderun gen des Prager Bürger
tums entsprach, und auch sein Gesund-
heitszustand, der ihm just im Frühjahr 1848 einen Kuraufenthalt in Karlsbad abnötigte;
hingegen ließ er sich in die deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche
wählen; vgl. rogler, Fried
rich Graf Deym, 86, 91–96. In Karls
bad gab deyM seine Schrift
Drei Denkschrif
ten, Karlsbad 1848, heraus. Ein konziser Überblick bei Jan heidler, Čechy
a Rakousko v politických brožurách předbřeznových [Die böhmischen Länder und Öster-
reich in den politischen Schriften des Vor märz], Prag 1920, 111f, 157–161 und bei rogler,
Fried
rich Graf Deym, 96–99.
151 Deym war Abgeordneter für den Wahlkreis Hohenelbe. Mit seiner Tätigkeit im Frankfur-
ter Parla ment beschäftigte sich sein Sohn: Franz Xaver Graf deyM, Friedrich Graf Deym
und die Österreichische Frage in der Paulskirche, Leipzig 1891.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115