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1867330
Ingrowitz, 27. Juli 1867
Am 15. nach Lösch. Am 16. nach Brünn zur Sitzung des Forstschulausschus-
ses, in welcher die Verlegung der Schule von Aussee nach Eulenberg – dem
Schloss der alten Herrn von Sovinec – beschlossen wurde.758
[17. Juli] Dr. Pražák und mit ihm den sterbenden Prälaten Napp im Au-
gustiner-Kloster zu Altbrünn besucht.
Am 18. und 19. in Lösch meine Angelegenheiten, dann jene des Straßen-
ausschusses, der nichts tut, wenn ich nicht da bin, besorgt. An Leo Thun
über die bestehende traurige Situation geschrieben.759
Als ich Ende Juni den Bischof in Brünn besuchte, erzählt er mir in seiner
Herzensgüte und Freude, der päpstliche Orden, um welchen die Landesbi-
schöfe für mich gebeten, werde am 5. Juli durch den Erzbischof von Rom
mitgebracht und mir dann sogleich zugesendet werden.
Da ich bis heute nichts erhalten habe und auch Dr. Pražák in gleicher
Weise – nach der Äußerung des Bischofs – ausgezeichnet werden sollte, so
vermute ich fast, die Regierung habe gegen die Beteiligung zweier Gegner
ein Veto eingelegt.
Ich bin nicht auszeichnungssüchtig und könnte es verschmerzen, obgleich
der Papst jetzt fast der einzige Souverän ist, dessen Orden noch einen Wert
haben!
In Wien und Pest wird unter der Ägide Beusts und Andrássys der Ent-
thronungsprozess geräuschlos, aber wirksam fortgesetzt. Welch heilloses
Ende muss dies alles nehmen? Und da sieht man – darunter dieses elende,
über allen Ausdruck erbärmliche Herrenhaus samt seinem, alle Tatsachen
anerkennenden Kardinal Rauscher – zu!
758 Vgl. Eintragung vom 3.7.1867.
759 Leo Thun hatte sich an den Debatten des „sogenannten Herrenhauses“, sprich: des von den
Konservativen abgelehnten cisleithanischen Reichsrats beteiligt und wollte sich des Rück-
halts seiner Gesinnungsgenossen versichern. Belcredi riet ihm am 18. Juli, dass ihm „unsere
Beteiligung an diesem verruchten Gaukelspiel so überaus bedenklich“ erscheine; man solle
jedoch auch nicht, „vom natürlichsten Gefühl getrieben, das einmal betretene Feld so leicht-
hin verlassen“, sondern einen geeigneten Anlass für einen wirkungsvollen Austritt abwarten.
Thun antwortete am 30. Juli, dass, „so ermunternd Du mir geschrieben hast, doch ander-
wärts eine ernstliche Unzufriedenheit mit meiner Haltung in unseren Kreisen herrscht, die
ausgeglichen werden muß.“ Bedenken verursachte ihm die „unglückselige Wallfahrt nach
Moskau“, die auch Belcredi für „eine Taktlosigkeit und einen politischen Fehler“ hielt (Brief
vom 10. August). „In gewissen Kreisen heißt es: Die Ungarn sind Rebellen, aber die Böh-
men sind Verräter. Solchen Mißverständnissen gegenüber sollte etwas geschehen. Was? – ist
freilich eine schwere Frage.“ Heinrich Clam sprach sich am 4. August für absolute Passivi-
tät aus: „Jetzt heißt es nur: sie sich selbst überlassen, ihnen nicht heraushelfen. Denn mit
diesen Leuten ist nichts anzufangen. […] Zwischen ‚Prinzipien’ gibt es keine Verständigung
– ebenso wenig, wie zwischen Feuer und Wasser. […] Noch ist unsere Zeit nicht gekommen.“
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115