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1884704
Dies gilt von H[einrich] Clam wie von Hohenwart.
Wien, 1. März 1884
Allen Gutdenkenden bereitet bei der ohnehin genug düsteren Zukunft auch
noch der Kronprinz ernst Sorge. Bei jeder Gelegenheit liebäugelt er mit den
Liberalen. So auf dem letzten Ball bei Hof mit Chlumecký. Das sind die
Folgen schlechter Umgebung und der Freimaurerschlingen, in welchen er
steckt. Der Kaiser konnte seine 17-jährige Frau nicht leiten und seinen Sohn
nicht erziehen, ließ die Teilung des Reiches geschehen usw. usw. Und doch
muss man dem unfähigsten Regenten ein langes Leben wünschen. Das, was
nachkommt, ist jedenfalls noch weit schlechter.
Wien, 3. März 1884
G[ra]f Blome nannte einmal Heinr[ich] Clam: „das Unglück der konservati-
ven Partei“.
Der Ausspruch ist hart. Für ganz unbegründet kann ich ihn aber nicht
mehr halten.
Durch sein edles Wesen und Gesinnung, geistige Potenz, dialektische Ge-
wandtheit und reiches Wissen hat er großen Einfluss gewonnen.
Krankhafte Scheu, sich für irgendetwas und nach irgendeiner Seite zu
binden, und Mangel an jeglichem Organisationstalent machen ihn aber ganz
ungeeignet zu einer jeden führenden Rolle. Er kann nur in mancher gege-
benen Lage den richtigen Ausweg mit Geschicklichkeit finden. Es fehlt ihm
aber der weite staatsmännische Blick. Er fordert Vertrauen, ohne etwas zu
bieten, was dieses rechtfertigen und jenen, die ihm folgen, Ziele und Wege
klarmachen würde. So gleiten wir abwärts dem Abgrund zu.
Wien, 5. April 1884
Am 3. d. [M.] ward endlich im Ausschuss der Normalarbeitstag beschlossen.
Gott sei Dank.
Lösch, 10. April1673 1884
Der Gedanke, nach Ablauf der Wahlperiode im J[ahr] 1885 eine Wiederwahl
ins Abgeordnetenhaus nicht mehr anzunehmen, tritt immer öfter an mich
heran. Staffage zu machen in doch nur untergeordneten Fragen, an die gro-
ßen, fundamentalen will oder kann niemand heran, bin ich müde. Mit sorg-
samer Beibehaltung und innerhalb des liberalen Rahmens treiben auch wir
dem Abgrund zu. Um mich zu emanzipieren und die eigenen Wege zu gehen,
dazu fehlt mir die Kraft, und bin ich zu alt. Im Lande kann ich noch etwas
1673 Im Original stand März.
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115