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Am traurigsten bei der ganzen sinn- und lieblosen Aktion, unser Volk sei-
ner bedeutendsten literarischen Kleinodien zu berauben, ist, dass sich dabei
noch zeigt, wie sehr unsre moderne Jugend schon allen höheren Schwung
und alle Ideale verloren hat. Die Studenten machen Herrn Gebauer Ovatio-
nen für sein herostratisch-tolles Beginnen!
Lösch, 3. Mai 1886
Nachmittag – zur Beratung des Hlas-Konsortiums in Brünn.
Ein öfteres Ventilieren der staatsrechtlichen Verhältnisse unsrer böhmi-
schen Länder im Hlas empfohlen.
Unser Staatsrecht könnte bei längerem Bestand der sog. Verfassung und
des jetzigen Reichsrats sowie der Landtage in weiteren Kreisen, vollends bei
der jüngeren Generation, mehr und mehr in Vergessenheit geraten.
Das Überwiegen sozialer und wirtschaftlicher Fragen kann dazu nur bei-
tragen. Ebenso empfohlen, ohne Vernachlässigung der Bauernfrage sich wie-
der mehr mit den Arbeiterverhältnissen zu befassen.
Dazu u. a. die Inspektorenberichte zu benützen.
Wien, 11. Mai 1886
Morgen endlich steht das Unfallversicherungsgesetz der Arbeiter auf der
Tagesordnung des Abgeordnetenhauses und mit dem Krankenkassengesetz
werden wir im Ausschuss auch noch in dieser Woche fertig.1829
Gestern abends sprach ich mit Louis Liechtenstein über das geringe Ver-
ständnis unsrer Standesgenossen, besonders der Wiener, für unsre Bestre-
bungen. Dabei erwähnte er des Ausspruchs Ferdinand Trauttmansdorffs –
des Herrenhauspräsidenten – welcher sagte: „Es ist traurig, wenn Grafen
und Fürsten, wie Belcredi und Liechtenstein, sich um den Povel (Pöbel, d. h.
die Arbeiter) bekümmern!“
Wien, 13. Mai 1886
Gestern nach der Sitzung des Abgeordnetenhauses hatten wir noch eine Be-
sprechung der Gr[oß]grundbesitzer des Český klub. Richard Clam bemerkte
darin u. a., das Einzige, was wir bisher zustande gebracht, welches einen
Wert habe, seien die Arbeiterschutz- und sozialen Reformgesetze. Es sind
dies:
1. Die Novelle zum Gewerbegesetz; Ref. Belcredi.
2. Das Fabriksinspektorengesetz; Ref. Chamiec.
3. Die Berggesetznovelle; Ref. Šindler.
1829 Zu den Debatten um die Unfall- und Krankenversicherung vgl. Jenks, Iron Ring, 202–
211; grandner, Conservative Social Politics in Austria.
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115