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dem ganzen Landesadel aufs Kerbholz geschrieben, sein Ansehen und Ein-
fluss schwindet und die demokratische Flut steigt.
Alle meine Bemühungen, die Arbeiten und Opfer eines langen Lebens er-
weisen sich als vergeblich.
Mähren hat keine Hauptstadt, keinen Zentral- und Sammelpunkt und
das frivole, verjudete Wien ist zu nahe.
Wien, 12. April 1887
Auf den Lehrkanzeln unserer Hochschulen tradiert man jetzt Verfassungs-
recht, nicht etwa das Recht der Königreiche und Länder, aus welchen Öster-
reich besteht, sondern ein imaginäres, aus der faktisch, durchaus aber nicht
rechtlich bestehenden Verfassungsschablone abgeleitetes sog. „Recht“!
Eigentlich also Unrecht.
Wie mühevoll und lang dauernd wird es sein, dieses, wenn überhaupt
möglich, wieder aus den Köpfen hinauszuschaffen?
Lösch, 14. April 1887
Nachmittag in Brünn die valná hromada Matice velehradské abgehalten,
welche u. a. alle vom výbor bezüglich des Darlehens an den Podporovací spo-
lek [der Diözese Olmütz] eingeleiteten Schritte genehmigte.
Der Pfarrer Dr. Šneidr erzählte mir, dass das Missionshaus auf dem Ho-
stein, seit 2 Jahren ausgebaut, unbewohnt dastehe und der Erzbischof we-
gen dessen Beziehung durch die P. P. Jesuiten gar nichts getan habe! Wie
gewöhnlich.
Karl Seilern war da und hat mir schlecht berichtet.
Zu den ganz unglaublichen Zeichen der Zeit und [zur] Achtung des Adels
gehört wohl, dass der Henker in Wien ein Edelmann – vor 100 Jahren war
er nicht einmal „ehrlich“ – ist, nämlich ein Edler von Seifried, und dass eine
Straße der so geliebten Haupt- und Residenzstadt des Kaisers in der libe-
ralen Ära mit dem Namen eines justifizierten Hochverräters – Messenhau-
ser1910 – anstandslos bezeichnet wurde und noch ist. Welche Schmach! Wo
kam Ähnliches jemals vor?
Lösch, 15. April 1887
Die auf das Jahr 1886 Bezug habenden Akten der Matice velehradská, da-
runter die Korrespondenz mit dem Podporovací spolek diecéze olomucké in
meine feuersichere Kassa eingelegt.
1910 Siehe Eintrag vom 18.5.1886.
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115