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WIEN, 3. MÄRZ 1888 841
Wien, 23. Februar 1888
Dann kam Leo Thun zu mir. Trotz des ärztlichen Verbots regte sich der arme
Mann immerfort wegen aller möglichen und unmöglichen Dinge auf. Die
Entlastung, welche ich ihm durch die Übernahme des Vaterland verschaffen
wollte, nützt gar nichts. Er ignoriert sie vollständig und mischt sich in alles.
Wien, 26. Februar 1888
Neulich frug mich Carlo Seilern, wieso denn Mähren ein „Nebenland“ Böh-
mens mit Unrecht genannt werde. Zu seinem Erstaunen sagte ich ihm, es sei
kein Nebenland, eine pars adnexa, wie z. B. Kroatien der Krone des heiligen
Stephan eines ist, sondern ein der Krone Böhmen (Scti. Venceslai) inkorpo-
riertes, also staatsrechtlich aufs engste verbundenes Land. Diese traurige
Unwissenheit nimmt in der jüngeren Generation bedenklich zu. Sie wird
durch manche Nichtbeachtung scheinbar geringfügiger, diesbezüglich aber
wichtiger Dinge noch gefördert. So war es ein Fehler, auf welchen ich im-
mer zurückkomme, dass sich der Český klub im hiesigen Abgeordnetenhaus
nicht Klub zemí Koruny české oder sv[ato]václavské1980 nannte und den an-
fänglichen Fehler nicht bei seiner Reorganisation im vorigen Jahre korri-
gierte.
Ebenso ist es ein Fehler, dass die Abgeordneten dem Königreich bei allen
Anlässen immer nur an dieses denken und nicht von dem „staatsrechtlichen
Ganzen“ reden.
Wien, 28. Februar 1888
Vor einigen Tagen sandte eine Anzahl böhmischer, polnischer, kroatischer
und slowenischer Abgeordneter, unter diesen auch ich, ein Glückwunsch-
schreiben an Bischof Strossmayer zum 50-jährigen Priester-Jubiläum.
Darob große Entrüstung in den magyarischen allgebietenden Blättern.
Dummerweise aber auch in jenen der gehorsamen hiesigen Regierungs- und
selbstverständlich den deutschtümelnden liberalen Judenblättern. Ist alles
Panslawismus. Vielleicht auch die Gratulation des Papstes an Strossmayer?
Wien, 3. März 1888
Von 1. bis 4. bei Leo Thun mit Alfred Liechtenstein und P. Frühwirth zur
Beratung der „Vaterland-Geschäfte“. Er las uns eine lange, etwas wirre Ab-
schiedsschrift wie ein polit[isches] Testament vor und übergab mir, weiter
für alles zu sorgen.
1980 Klub der böhmischen Länder oder [der Länder] des hl. Wenzel.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115