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Wien, 14. Dezember 1889
Die Zeichen des Verfalls der Monarchie – nicht allein bei uns – mehren
sich in erschreckender Weise. In Ungarn Kossuthkultus unter Zustim-
mung des Ministers Tisza, in Böhmen Neohussitismus. Gestern deshalb an
Dr. Pospíšil geschrieben.
Aus Böhmen heraus ist eine gesunde katholische Reaktion nicht zu hof-
fen. Vielleicht, sehr um- und vorsichtig vorbereitet, ein Pronunciamento, ein
Quos ego aus Mähren?
Die Beamten des katholischen Österreich gehen natürlich gewöhnlich gar
nicht in die Kirche. Bei besondern Anlässen aber in die katholische, grie-
chisch-orthodoxe Kirche und in die Moschee!
Das soll die Achtung der halbwilden Völker für die kat[holische] Monar-
chie fördern!
Das Jesuitengymnasium in Travnik ist kroatisch. Erlogen ist die Behaup-
tung, es sei über Drängen der Regierung – deutsch.
Wien, 17. Dezember 1889
Zum heutigen Sterbetag Leo Thuns bringt das Vaterland einen biographi-
schen Nachruf2130 welcher die unrichtige Angabe enthält, Leo Thun sei ein
Gründer des Vaterland gewesen. Dies ist, wie die Unterschriften seines
Programms von 1860 beweisen, nicht wahr. Erst einige Jahre später trat
L[eo] Th[un], mit dessen konserv[ativer] Gesinnung der geistig bedeutendste
Gründer, der G[ra]f Karl Wolkenstein, früher nichts weniger als zufrieden
war, in die Leitung des Blattes ein. Solch unrichtige Angaben hist[orischer]
Fakta unterlaufen aus jüngster Vergangenheit und unter noch Lebenden.
Welche Irrtümer müssen erst in der Geschichte längst vergangener Jahr-
hunderte vorkommen.
Die Idee zur Gründung habe ich angeregt, und die Gründer waren: Fürst
Hugo Salm, Landgraf Joseph Fürstenberg, Graf Karl Wolkenstein, Graf
Heinrich Clam-Martinic, G[ra]f Egbert Belcredi, Fürst Joseph Colloredo und
Baron E. Walterskirchen.2131
Die beiden Letztern haben das Programm mit unterzeichnet, zogen sich
aber zugleich zurück, als Schmerling den Kaiser zu den Oktroyierungen vom
26. Febr[uar] 1861 verführte.
2130 Im Feuilleton Leo Leopold Graf v. Thun-Hohenstein. Zum Gedächtnisse an den 17. Decem-
ber 1888, in: Das Vaterland, 17.12.1889, 1f.
2131 Laut okáč, Rakouský problém 1, 167, zählte Landgraf Joseph Fürstenberg allerdings
nicht zu den Gründern.
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115