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und NS-Deutschland und um die »Mobilisierung patriotischer Kräfte gegen
den Na tionalsozialismus« ging.190 Dass sich Lothar nicht unbedingt kritisch
mit der austrofaschistischen Regierung beschäftigt bzw. sie eben tatsäch lich
rein unter dem Aspekt der Naziabwehr sieht,191 wurde ja auch bereits in dem
Exposé zu dem Roman Das neue Verbrechen ersicht lich, in dem er Dollfuß als
»Retter Österreichs« bezeichnet.
Knapp zwei Jahre nach seiner Flucht aus Europa fasste Ernst Lothar mit sei-
nem ersten Exilroman in Amerika als Schriftsteller FuĂź. Seine deutschsprachige
BĂĽhne in New York war zwar gescheitert, ebenso wie sein Plan, in Princeton ein
eigenes Theater und eigene Festspiele zu begrĂĽnden, doch fand sich bald darauf
ein Weg, an universitären Einrichtungen im Theaterbereich aktiv zu werden.
6.3 College-Dozent
Kurz vor der Veröffent lichung von A Woman is Witness beginnt Lothar mit
seiner Tätigkeit am Bard College, einer Expositur der New Yorker Columbia-
Universität in Poughkeepsie. Eine Gruppe »aus Deutschland und Österreich
vertriebener Schriftsteller, Rundfunk- und Theaterleute« sollte hier Kurse für
Amerikaner geben und solche von Amerikanern besuchen – das Projekt nannte
sich »Experiment in Interna tional Living« und war für circa eineinhalb Monate
anberaumt. Das als St. Stephen’s College im Jahre 1860 von der Episkopalkir-
che mitgegrĂĽndete Bard College verpfichtete in den 1940er Jahren mehrere
europäische Emigranten zur Lehrtätigkeit, so etwa Felix Hirsch, Emil Hauser,
Adolf Sturmthal, Werner Wolff und Heinrich BlĂĽcher, Hannah Arendts zweiten
Mann. Das »Experiment in Interna tional Living« wurde von der Putney School
in Vermont organisiert und bezahlt, es startete in den 1930er Jahren und wurde
auch liebevoll als »Invasion of the Eggheads« bezeichnet. Der Quäker Donald
B. Watt wurde mit der Organisa tion des Experiments betraut, er war es auch,
der Lothar dazu einlud.192 Adrienne war es in der Zwischenzeit gelungen, sich
is a true democrat […].« Brief von Henry C. Alter an A. J. McChrystal (Theater and Music
Sec
tion). o. O., 26. Dezember 1945. WBR, ZPH 922a.
190 Vgl. Joseph McVeigh: Kontinuität und Vergangenheitsbewältigung, S. 147.
191 Lothar bezeichnet seine in der Emigra
tion geschriebenen Romane als seine »Anti-
Nazi-
Bücher«, auch wenn er später einschränkt, dass er »manches darin zu revidieren hätte« (EL:
Das Wunder des Ăśberlebens, S. 344).
192 Vgl. EL: Das Wunder des Überlebens, S. 182. 1938 – 1946:
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Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar HeiĂźler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478