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die Behausungen noch den Bergabhang hinanklimmen, während der an der Wasserseite
gelegene Stadttheil mit seiner Lände als ein Hafenplatz erscheint, der durch Balcone, Erker,
Stege uud Pfortenwölbungen, die aus der Hauptstraße auf die Lände führen, pittoreske
Effecte erhält.
Die Bewohner von Krems und Stein erlebten viele „Eisstöße" nnd Über-
schwemmungen, die nicht gefahrlos für sie verliefen, und die Alten unter ihnen haben noch
heute die Überschwemmung des Jahres 1830 in schreckhafter Erinnerung. Damals verließ
der Strom sein normales Bett und ergoß sich in Sturmfluten durch die Stadt Krems
nnd über die Ortschaften an seinem linken Ufer bis hinab zum Einflüsse des Kamp. Mir
großen Rettungsbooten fuhr man durch die Hauptstraße der Stadt und hinaus zu den
bedrängten Ortschaften, um deren Bewohner von den Dächern „auszuholen". Es hatte den
bedrohlichen Anschein, als ob der entfesselte Strom mit Umgehung des hydraulischen Zug-
gesetzes sein früheres Bett willkürlich verlassen und künftig die linkseitige Richtung einhalten
und behaupten würde.
Wie bei den meisten Eisgängen und Überschwemmnngen wurde auch damals das
Object der hölzernen Verbinduugsbrücke zwischen Mautern und Stein in hartes Mitleid
gezogen und mußte mit dem Verluste mehrerer Joche das Verschulden büßen, daß in einem
technisch so vorgeschrittenen Jahrhundert nicht längst ein verläßlicherer Uferverkehr
hergestellt war. Diese Brücke war und ist bis zum heutigen Tage eine Unglücksstelle für die
Schiffe, uud die „Nausührer" scheuten weniger vvr dem „Strudel" und „Wirbel" uud
vor anderen Stromschnellen in der oberen Donau als vor dem „Kreuzjoche" dieser Brücke,
an dem iu einer halbvergangenen Zeit ein „getancht volles" Wallfahrerschiff scheiterte.
Der Volkswitz bezeichnet „Krems und Stein" als drei Orte, und in Wahrheit ist
auch „Und" mit seinen Gartenhäusern und Anlagen, hinter denen sich der mächtige Ban
der Geniekaserne bis an die Bergterrasse zieht, der Verbindungsort zwischen Krems und
Stein. Das Alter von Krems datirt, historisch nachgewiesen, in das X. Jahrhundert zurück,
und die Stadt bedürfte nicht erst dieses Nachweises; ihre Kirchenbauten, namentlich die
Psarr- und Spitalkirche, das Rathhaus uud die Bauwerke des Paffauer- und Baumgartner-
hofes mit deutlichen Kennzeichen romanischen und altgothischen Stiles haben als
architektonische Beweiskraft zu gelten. Das alte „Lkremisse" hat sich überdies historischer
Thaten zu rühmen und wurde allezeit für den Landesfürsten mannhaft vertheidigt, was
ihm manche Privilegien eintrug. Den Muth für die Vertheidigung ihrer Stadt theilten
sogar die Frauen, die wie die „Weiber von Weinsberg" eine Belagerung im Jahre 1619
abschlugen. Der Scherz der „Simandlbriefe", die noch heute an junge Ehemänner ans
Krems von einer eigenen Bruderschaft versendet werden, soll an dieses Ereigniß mit der
Mahnung erinnern, sich nicht von den Frauen meistern zu lassen.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317