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Schon zu jener Zeit mögen die ersten Ansänge jener eigenthümlichen Einsenknng
merkbar geworden sein, die sich nach und nach zu dem sogenannten inneralpinen Becken
von Wien gestaltete, das seinem Wesen nach als eine Unterbrechungsstelle zwischen der
Kalk- und Sandsteinzone der Nordalpen und deren directer Fortsetzung, den Karpathen
bezeichnet werden muß.
Aus der älteren Tertiärzeit (der Eocän-Periode), deren Ablagerungen am Nord-
westrande der Wiener Sandsteinzone deutlich nachweisbar sind, ist uns kein sicherer Überrest
im inneralpinen Wiener Becken erhalten geblieben; erst mit dem Eintritte der jüngeren
Tertiärperiode (dem Miocän) erscheint es in seiner Bildung und Bedeutung als
Verbindungsglied zwischen dem außeralpinen Meere und dem paunouischeu Becken, der
heutigen ungarischen Niederung, vollendet. Man kann das letztere Verhältniß kaum
passender beleuchten, als durch den Hinweis auf die Lage des heutigen Marmorameeres
zwischen dem ägäischen und schwarzen Meere. Stellt man sich nämlich das ehemalige
anstro-pannonische Miocänmeer wieder in seine alten Ufer zurückgekehrt vor, so ergibt sich
thatsächlich eine überraschende Ähnlichkeit zwischen der Lage von Constantinopel nnd
der Lage jenes Punktes, welchen nach Trockenlegung des Miocänmeeres Wien einzunehmen
bestimmt war. In dieser Ähnlichkeit der genannten Städte ist zugleich die hervorrageude
Wichtigkeit beider als Handelsemporien gegeben und so nimmt Wien als Handelsplatz im
Binnenlande eine ähnliche Stellung ein wie Constantinopel zur See.
Das große geologische Ereiguiß, dem das Wiener Becken seine Entstehung verdankt,
ist die lange vorbereitete, allmälig vor sich gegangene Einsenknng, der Abbruch der bis dahin
mit den Karpathen in stetigem Zusammenhang gestandenen Alpen an zwei divergirenden,
westlich bis Wien und östlich bis über Hainburg hinausreichenden Linien, deren eine
— die westliche — unter dem Namen „die Thermalspalte des Wiener Beckens"
bekannt ist. An der westlichen Linie von Winzendorf über Brunn am Steinfeld und Fischau
am Steinfeld, über Vöslan, Baden, Mödling, Rvdaun, Mauer, Meidliug zeigen sich
nämlich warme Quellen mit mehr oder minderen Wärmegraden nnd größerem oder
geringerem Miueralgehalt, die man als untrügliche Zeugen einer einstmaligen tiefgehenden
Niveauveränderung und Spaltenbildung ansehen kann. Dieselben Thermalerscheinnngen
lassen sich auch ans der östlichen Linie verfolgen, wo wir die warmen Schwefelquellen
von Brodersdorf, Wannersdorf und Deutsch-Altenburg und in den Gesteinen des Leitha-
gebirges sogar Anflüge reinen Schwefels treffen.
Die durch die besprochene Einsenknng gebildete Niederung scheint zu Anfang durch
längere Zeit von Ansammlungen süßen Wassers ausgefüllt gewesen zu sein, an deren
Ufern eine reiche Flora sich entwickelte. Eine Anzahl banwürdiger, großentheils schon
ausgebeuteter Kohlenlager unserer Umgebung: Janlingwiese bei St. Veit an der Triesting,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317