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Leiding, Schauerleiten, Hart bei Gloggnitz enthalten die Reste der damaligen Vegetation.
Reich war auch hier das Thierleben in den Waldungen und Dickhäuter aller Arten,
Mastodonten, Tapire u. s, w. bevölkerten in dieser längstvergangenen Zeit die uns wohl-
bekannten Stätten.
Auf diese verhältnißmäßig nur kurze Zeit andauernde Epoche folgte, hervorgerufen
durch weitergehende Senkung des Bodens, der Einbruch des Seewassers aus dem großen
mitteleuropäischen Miocänmeer, womit die Bedingungen zum Aufbau jener herrlichen
Landschaft gegeben waren, die wir heute das Wiener Becken nennen.
Wenn wir von einem der wundervollsten Aussichtspunkte dieses Gebietes, dem
1.523 Meter hohen Sonnenwendstein, den Blick auf die uns rings umgebende Alpenwelt
werfen und ihn dann über Gloggnitz hinaus in die immer weiter sich aufthuende Ebene
schweifen lassen, so haben wir die Geschichte des Bodens gleichwie in einem Bilde entwickelt
vor uns liegen. Auf dem Gipfel eines zur Schieferzone gehörigen alten Kalkes stehend,
sehen wir gegen Süd und Ost die Gneiß- und Glimmerschieferberge der Centralkette an uns
herantreten, während in Nord und Nordwest, getrennt durch ein breites Band von grauen
und grünen Schiefern, dem das Gebiet des Semering angehört, Schneeberg, Rax- und
Schneealpe und darüber hinaus der Hochschwab, noch weiter derÖtscher sich in majestätischer
Pracht erheben. Weit, sehr weit draußen in der Ebene, mag ein scharfbewaffnetes Auge
am Horizont die Uferlinien des Sandsteins bemerken, unmittelbar bei Gloggnitz aber sieht
man die Tertiärbildungen beginnen. Ihre Geschichte ist folgende:
Nach der allmälig immer mehr und mehr fortschreitenden Senkung des Bodens und
dem daniit in innigem Zusammenhange stehenden weiteren Abbruche und Abstürze ganzer
Gebirgstheile drängen sich, nicht jäh, nicht einem Dammeinbruche vergleichbar, zuerst
einzelne salzige Wellen in die Niederung, sie verbreiten sich nach und nach, sie vermehren
sich, dringen vor — der Boden sinkt — immer neue Gebiete erreicht das Wasser, endlich
flutet das Gewoge an die steinerne Grenze, an das Felsenlabyrinth der niedergebrochenen
Alpenkolosse — die Bucht ist mit Wasser ausgefüllt und voll des Lebens.
Überschäumend stürmt die Flut die einengenden Barren, Tag und Nacht bohrt sie
an ihnen, der Regen, der Frost kommt zu Hilfe — Stein um Stein wird abgebröckelt, hier
wirkt die Brandung, dort wird unterwaschen, große Blöcke, ganze Felsen werden gleich
losem Mauerwerk gebrochen und stürzen in die Tiefe. Aber auch dort finden sie keine
Ruhe; fort uud fort hin- und hergeschleudert, zerbersten sie in kleine Stücke, reiben sich
aneinander, werden abgerundet und abgerollt.
Vom Lande stürzen mächtige Flüsse in die Bucht, sie führen ebenfalls grobes und
feines Zerreibfel des Gebirges, großes und kleines flachgeriebenes Geschiebe hinaus ins
Meer. Das füllt sich mit all dein Bröckelgestein, scheidet allmälig das grobe von dem
Wien und Niederösterreich. K
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317