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Allerlei Aberglaube knüpft sich an den ersten Tag des Jahres. Vor Allein ist es
nicht gleichgiltig, wer Einem zuerst begegnet oder zuerst gratulirt. Weit verbreitet ist die
Meinung, daß man das, was man am Neujahrstage thut, durchs ganze Jahr oft thun
werde, wie dies auch das landläufige Sprüchwort ausdrückt: „Wie zu Neujahr, so das
ganze Jahr". Zu Neujahr soll man einen Schweinsrüssel essen, dann wird man
Glück haben. Das Schwein wird öfter als ein in gutem Sinne vorbedeutendes Thier
aufgefaßt.
Heilige drei Köuige. Der allbekannte Brauch der Hausberäucherung am Drei-
königs-, Christ- und Sylvesterabend begegnet uns in Niederösterreich noch überall (Rauch-
nächte). Wenn die kleine Procession von ihrem Rundgange in die Stube zurückgekehrt ist,
knien alle nieder und beten, worauf die Männer ihre Mützen oder Hüte, die Weibspersonen
ihre Kopftücher über den Rauchtopf halten und dann rasch das Haupt bedecken. Es gilt
dies als ein Mittel gegen Kopfleiden.
An diesem Abend darf die letzte „Richt" (im Ötfchergebiete Semmelmilch) nicht
aufgegessen werden, sondern man läßt einen Rest in der Schüssel zurück und am Rande
derselben die Löffel bereit liegen, damit die Frau „Berscht" oder „Berschtl" (Berchta),
wenn sie iu der Nacht mit ihrem Gefolge, den ungetansten Kindern („Zodawascherln",
Heimchen) im Hause einkehrt, etwas zu essen vorfinde und nicht über schlechte Wirthschaft
zu klagen Ursache habe oder gar sich räche. Wessen Löffel in der Früh aus seiner Lage
gerückt erscheint, der hat Unglück zu fürchten; ledige Personen hingegen, an deren Löffel
viel Milch sich anlegt („anreimt"), heiraten bald. (Ibbsthal, V. O. W. W.) Am andern
Tage essen die Hausleute von der Berschtmilch; auch die Hühner bekommen etwas davon,
ans daß sie „fleißig" Eier legen, sowie die Kühe, daß sie viele und gute Milch geben.
Am Wechsel stellt man sich die „Berschtl" als eine schöne, schneeweiße Frau, überhaupt
als gute Fee vor, welche man in der Dreikönigsnacht an Orten, wo drei Grenzen oder
Kreuzwege zusammenstoßen, sehen kann; hier zeigt sie auch bereitwillig verborgene Schätze.
Im Ibbsthal gilt Frau „Berscht", entgegen der ursprünglichen mythologischen Auffassung,
vorwiegend als Schreckgestalt, der man auf ihren Wanderungen in den „Unternächten"
(von Weihnachten bis Dreikönig) nicht gerne begegnen möchte. — Vor und nach dem Feste
der heiligen drei Könige ziehen auch die „Sternsinger" durch mehrere Tage von einem Orte
zum andern.
Von den heute uoch vorgetragenen Dreikönigsliedern scheint eines über das ganze
Dialectgebiet verbreitet zu sein. Die ersten Strophen lauten:
„Die heiligen drei König' mit ihrem Stern,
Die suchen das Kindlein und hätten es gern.
Alleluja, Alleluja. Die heiligen drei König' in schneller Eil',
Geh'n in dreizehn Tagen vierhundert Meil'.
Alleluja.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317