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Am Pa lmsonntag bringen die Bauernbursche, besonders im Gebirge, große „Palm-
buschen" auf Stangen zur Weihe in die Kirche. Jeder Bestandtheil an denselben hat
seine Bedeutung: der Palmzweig (die Weidenruthe, von der salix capi-ea genommen) soll
erinnern an den feierlichen Einzug des Herrn in Jerusalem, das fettgläuzeude „Schradllanb"
(Stechpalme, ilex aczuikvUum) soll Hühner, Kühe und Pferde vor dem „Schradl" (Schratt)
schützen, der sie oft in der Nacht plagt, die Zweiglein des Segenbaumes oder „Segel-
baumes" (richtig Sebenbanmes, juniperus sadina) helfen gegen das Verschreien der Thiere
im Stall. Auch Zweige von der Haselstaude, welche ja den Blitzschlag ablenkt, fügt man
gerne hinzu. Den rothwangigen Äpfeln, welche an den längsten Ruthen aufgereiht sind
und dem „Palmbnfchen" zur besonderen Zier gereichen, soll eine ähnliche bannende Kraft
innewohnen.
Im oberen Dbbsthal werden zuweilen auch Krenwurzeln (Meerrettig) nnd Salz-
stückchen an die Ruthen gesteckt, welchen Dingen man aber so wenig Bedeutung beilegt
wie den zum Schmucke dienenden Buchszweiglein, Nieswurzblüten und buntfarbigen
Bändern. Dieser Palmbuscheu nun, auch „Palmbesen" genannt, wie ihn der Gebirgler zur
Weihe in die Kirche trägt, besteht aus mehreren kleinen Büschlein, welche um das eine
Ende einer langen, ja oft allzulangen Stange kreisförmig grnppirt sind und zu Hause
losgebunden werden, um sie in den Gemächern des Hauses, in Stall und Scheune, sowie
auch auf den Feldern „aufzustecken", zum Schutze uämlich gegen Blitz, Hagelschlag und
anderen bösen Schaden. Wenn aber der Bursch (am Wechsel der Großbube) mit dem
Palmbnschen heimkommt — und er soll der Erste zu Hause sein —, so überschreitet er nicht
die Schwelle, ohne vorher dreimal, und zwar womöglich unbemerkt, um das Gehöfte zu
laufen, denn wo dies geschehen ist, können Fuchs und Habicht keine Hühner stehlen.
(Besonders im Mbsthal uud dem daran stoßenden Flachlande noch üblich.)
Im V. U, W. W. nnd U. M. B. werden zumeist kleinere Palmbnschen aus Weiden-
uud Sebenbanmzweigen oder auch nur „Palmzweige" geweiht und häufig von Kindern
in die Kirche gebracht, welche dieselben dann in die Häuser tragen und einige Kreuzer
dafür bekommen.
Wohl in ganz Niederösterreich ist es bei unserem Landvolke Brauch, am Palm-
sonntage nach dem Gottesdienst drei „Palmkätzchen" zu verschlucken; fromme Leute bleiben
hier und da eigens bis dahin nüchtern. Man glaubt sich dadurch vor Krankheiten und
anderen bösen Einflüssen zu schützen; auf Grund dieser Anschauung läßt man auch die
Nutzthiere im Stalle drei „Kätzchen" genießen. Allbekannt ist die Meinung, daß während
der Palmsonntagspassion verborgene Schätze zu heben seien. Jede Gegend kennt dies-
bezügliche Sagen, doch immer steht da der Mensch neckischen, trügerischen Mächten gegen-
über und ist zum Schlüsse der Enttäuschte. Erwähnung verdient endlich auch noch der
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317