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„Palmesel". So nennt man, besonders im Ibbsthal, denjenigen, welcher am Palmsonntage
zuletzt aufsteht. Der Ausdruck: „aufgeputzt wie ein Palmesel" legt die Vermuthung nahe,
daß einst auch in Niederösterreich festliche Umzüge üblich gewesen sind, wobei der Esel nicht
gefehlt haben wird.
Am Gründonnerstag wandern die Glocken aus und „reisen nach Rom."
Während des Glorialäutens soll man sich den Kopf waschen, um vor Kopfleiden aller Art
bewahrt zu bleiben. (Ziemlich weit bekannt.) Am Gründonnerstag soll das erste „Grüne"
auf den Mittagstisch kommen. Noch jetzt ißt man an manchen Orten an diesem Tage die
sogenannte „ Siebenkräntersnppe".
Eine große Rolle spielen in der Meinung des Volkes die am Gründonnerstag
gelegten Eier, „Antlaß-Eier" genannt, denn dieser Donnerstag heißt auch der „Antlaß-
Pfingsttag". (Antlaß soviel wie Nachlassung, da früher am Gründonnerstage die feierliche
Lossprechung der öffentlichen Büßer von den Kirchenstrafen stattfand.) So glaubt mau,
daß diese Eier, wie auch die Charfreitags-Eier, sich sehr lauge, ja durch das ganze Jahr
frisch erhalten. Man läßt sie am Ostersonntag weihen und genießt sie als Präservativmittel
gegen „Bruchschaden", sowie Hieb- und Stichwunden. (V. O. W. W., besonders im
Gebirge.) Auch den Kühen schlägt man — zur Abwendung der Hexerei — an vielen Orten
ein Antlaß-Ei ins Maul. Im V. U. M. B. (z. B. um Retz) streut man die Schalen der
geweihten Eier auf den Acker, und wohl fast allgemein ist der Brauch, Antlaß-Eier zur
Abwendung des Blitzschlages unter das Dach zu legeu oder auch mit einem der sieben
Worte Jesu am Kreuze beschrieben bei Bränden ins Feuer zu werfen, um dem Elemente
Einhalt zu thun. Die Kohlen, womit man diese Aufschrift macht, sollen am Laurenzi-
oder Johannistage aus der Erde gegraben werden.
Am Charfreitag meidet das Volk womöglich jede geräuschvolle Arbeit; selbst
Brotbacken und Waschen sieht man an diesem Tage nicht gerne. Manche Bäuerinnen
verkaufen iu den drei letzten Tagen der Charwoche weder Milch noch Eier, auch gilt es als
ungünstiges Vorzeichen, an dem Tage geboren zu sein, an welchem der Herr durch den
Verrath des Judas den Kreuzestod erleiden mußte.
Ein interessanter, mit dem wirthschaftlichen Leben zusammenhängender Brauch
(Feldcnlt) hat sich im V. O. M. B. (Gmünd) erhalten. Am Charfreitag vor Sonnen-
aufgang nämlich gehen die Weibspersonen von den Gehöften an den nächsten Feldrain
und machen mit den Händen aus der leeren Schürze die Geberden des Säens. (Vielleicht
bringt ulau heute im christlichen Sinne das in die Erde gelegte Samenkorn mit dem im
Grabe ruhenden Leichnam des Herrn in Beziehung.)
Vom Gründonnerstag bis zum Charsamstag gehen, hauptsächlich in den Ortschaften
des Flachlandes, die „Ratschenbnben" mit ihren eigenthümlichen klappernden Instrumenten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317