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einige Halme für den Winter zurückgelassen. Von dem uralten Branche des Sichelwerfens,
welchen das Volk heute mit der bekannten Legende von der heiligen Nothburga in
Zusammenhang bringt, scheinen sich nur mehr wenige Spuren (V. U. M. B.) erhalten
zu haben.
An deu St. Laureuzitag (10. August) schließt sich die Meinung, daß man an
demselben, wo immer man die Erde aufgräbt, glüheude Kohlen findet, weil der Heilige
über solchen geröstet wurde. An diesem Tage wurde früher (bis zum Jahre 1848) iu deu
Dörfern um Wien von den Weinhütern anläßlich des Beginnes ihres Hüteramtes in den
Weingärten ein festlicher Umzug gehalten, wobei zwei Bursche auf einer Querstange den
großen, reich verzierten „Weinhüterkranz" trugen. Ein Flurgang mit wehenden Fahnen,
unter Gesang und Gebet, war ehedem auch am Feste Maria Himmelfahrt in der
Umgebung von Wien üblich. Mau uannte diese Art religiösen Feldcnltes das „Felder-
besegnen". Nach beendigtem Umzüge sprach der Priester den Wettersegen.
Der Montag nach Michaeli (29. September) heißt der „Lichtbratlmontag". Am
nächsten Tage nämlich beginnen Schneider, Schuster, Tischler, Waguer uud audere Hand
werker die Lichtarbeit, das heißt sie setzen im Herbst und Winter Abends die Arbeit bei
Licht fort. Am Sonntag znvor essen sie das „Lichtbratl". Darunter ist überhaupt eine bessere
Mahlzeit zu verstehen, bei welcher der Braten das Hauptgericht bildet. Im Abbsthal
(z. B. zu Waidhofen an der Dbbs) darf dabei auch das „Äpselschlangl" nicht fehle».
(Längliches Gebäck aus gewöhnlichem oder Butterteig mit blätterförmig geschnittenen
Äpfeln gefüllt.) Der folgende Montag trägt von der Mahlzeit den Namen und ist ein
„Anseiertag" (Halbfeiertag).
Bei Beginn der Weinlese, wenn „'s Biri ausg'sperrt" (das Weingebirge, die Lese
eröffnet) ist, knallen Böller- und Pistolenschüsse und werden Freudeuseuer angezündet.
Trotz der ermüdenden Arbeit macht sich beim Hauer in diesen Tagen eine Feststimmung
geltend, welcher er durch Jauchzen und Singen Ausdruck gibt. Selbst der poetische Sinn
regt sich in ihm, denn er schmückt Wagen und Zugthiere mit Rebengewinden und Blumen-
kränzen. Während der Lesezeit kommt Fleisch als Hauptgericht auf den Tisch, worauf der
Winzer im Frühling und Sommer gewöhnlich verzichten muß. Wie der Feldbauer, so ist
auch der Weinbauer bei seiner Ernte auf die armen Leute bedacht. Er gestattet, daß diese
die bei der Lese zurückgelassenen Trauben sammeln. Letztere nennt man in der Gegend von
Krems „Wolferl". Nach beendigter Weinlese wird in „guten Jahren" im Wirthshause ein
kleines Fest mit Tanz abgehalten (Presserball).
Zu einem Volksfeste im vollsten Sinne des Wortes gestaltet sich im V. U. W. W.
und in den beiden nördlichen Vierteln das Fest der Kirchweihe, doch nicht die „allgemeine"
(der „Allerweltskirchtag"), sondern die Patrociniumseier der einzelnen Pfarrkirchen, welche
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317