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Am Vorabende des St. Nikolaustages ziehen zwei vermummte Personen in der
auch anderwärts üblichen Weise als Nicolo und Krampns herum, beschenke» brave Kinder
und strafen unfleißige, unfolgsame. Im Dunkelsteiner Walde (St. Pöltener Gegend) schickt
der Nicolo seine Knechte voraus, welche in den Häusern nach der Aufführung der Kinder
sich erkundigen müssen; am Festtage erscheint der Nicolo selbst. Im oberen Ibbsthal
(Hollenstein) zieht der „Nicoloherr" mit der weißgekleideten mehlbestaubten „Nicolofran",
dem Krampus und der Habergeiß herum. (Letztere auch am Wechsel.) Erwähnung verdienen
einige Schelmliedchen, welche die Kinder auf den doch so gefürchteten „Herrn Nicolo"
singen, z. B.:
„Nicolo, Nicolo,
Kauf mir mein Prügerl a;
Oder:
„Vater unser, der du bist —
Der Nicolo, der fallt in Mist, Wann d' mir's nit abkaufst.
Wirf' i dir's na'."
Ter Krampus, der fallt draus.
Der Nicolo kann nimmer auf."
Vor dem Schlafengehen stellen die Kinder Hüte, Schuhe oder auch Schüsseln vor
das Fenster, in welche der Nicolo in der Nacht seine Geschenke „einlegt". Am Nikolaustage
werden iu maucheu Gegenden (besonders im V. O. W. W.) eigene Brode gebacken, welche
den Nicolo und Krampus, aber auch allerlei Thiere vorstelle». Iu dem Nicologehen begegnet
uus ein christlich umgedeuteter und umgewandelter Wodanmythus der germanischen Vorzeit.
Eine große Rolle in unserem Volke spielen die Rauchnächte (gesprochen Rauh-
nächte). Man treibt verschiedene Zeichendenterei, die sich indeß auf zwei Hauptgesichtspunkte
zurückführen läßt: auf das „Losen"- oder „Lismengehn" (richtiger liesengehen, vom
mittelhochdeutschen liezen, das ist das Los werfen, losen, wahrsagen) und auf das
„Losengehn" (das ist lauschen, horchen gehen; mittelhochdeutsch losen, bedeutet hören,
horchen.) Das Losen oder Lismen geschieht auf die mannigfachste Art. Am Thomasabend
ist bei den ledigen Leuten, besonders den Mädchen, das Bettstaffeltreten noch im Schwung.
Man tritt mit dem linken Fnße dreimal an einen der beiden Hinteren Bettfüße und
spricht dabei:
„Bettstaffel, i tritt' di,
Heiliger Thomas, i bitt' di: Laß ma erschein'n
Den Liebsten (die Liebste) mein."
Ledige Bursche sagen auch: „Zeig mir glei' — Mein künftig's Wei'!" Man soll
dann mit dem linken Fuß voraus ins Bett steigen und sich in umgekehrter Lage, mit dem
„Kops zu den Füßen", betten. Im Traume wird der oder die Geliebte sich zeigen.
Ledige Personen tragen vom Thomastag an bis zum Christabend auch einen Apfel in
der Tasche, waschen sich während dieser Zeit nicht, beten nicht und besprengen sich auch
nicht mit Weihwasser. Am Christabend essen sie unter dem änßeren Scheunenthor (wo sie
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317