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Während der Christmette kann man auch die Hexen erkennen, wenn man ans einem
Schemel sitzt, welcher aus neun verschiedenen Holzarten gemacht ist, oder wenn man durch
einen durchlöcherten Span oder Stein oder durch das Astloch eines Sargbrettes schant. Die
unheimlichen Wesen haben das Gebetbuch verkehrt vor sich liegen nnd sitzen oder stehen
mit dem Rücken gegen den Altar gewendet. Nach der Mette wird in den Familien sogleich
eine Fleischsuppe mit Auflage, auch Fleisch eingemacht oder gebraten gegessen. An
mehreren Orten im V. O. W. W. ist das „Sankopfbratl" gebräuchlich; in den Gasthäusern
ißt man meist Bratwürste. Am Festtage bildet den Schluß der Mahlzeit das Kletzeubrod.
Von letzterem bekommen sämmtliche Hausleute je einen Laib oder einen Stritzel nebst
Weißbrod; auch setzt man es an vielen Orten in Gasthäusern den Stammgästen vor. Das
einfache Bauerukletzeubrod besteht aus gewöhnlichem Brodteig und kleingeschnittenem
Dörrobst, namentlich Kletzen (gedörrten Birnen); in Bürgerhäusern mengt man unter
den feineren Teig auch Nüsse, Maudelu, Feigen, Rosinen, Citronat und einige edle
Gewürze. Auch liebt man es, den Teig mit Branntwein anzufeuchten. Das Kletzenbrod ist
in den beiden Vierteln O. und U. M. B., besonders nördlich, und im V. U. W. W. nicht
an allen Orten gebräuchlich. Man bäckt dafür Weißbrod, um Zwettl „Rawuzl" genannt,
oder auch Nuß- und Mohnbengel. Zu Weihnachten soll man neun verschiedene Sorten
Kletzenbrod essen, dann bleibt man gesund oder wird so stark, daß man neun Fuhren Heu
bergauf rechen kann (Ötschergebiet), oder heiratet bald.
An: Wechsel leitet eine Sage ohne Zeitangabe den Ursprung des Kletzenbrodes von
einer Huugersuoth her, welche die Leute zwang, aus allerhand Abfällen ein „Mischmasch-
brod" zu backen. Später that man dies in dankbarer Erinnerung an die Errettung aus
jener großen Bedrängniß.
Zu Weihnachten ziehen in mehreren Gegenden Niederösterreichs „Hirtensinger"
herum, welche in Privat-, seltener in Gasthäusern kleine Spiele (Hirtenspiele) aufführen.
Hierzu verkleiden sich vier Jünglinge ihren Rollen entsprechend und treten nach einander
in die „Stube" ein. Der erste Hirte fragt nach dem Hausherrn, klagt über bittere Winter-
kälte und legt sich neben dem Ofen auf den Boden. Ebenso machen es die beiden anderen,
welche gekommen sind, ihren Kameraden zu suchen. Bald liegen alle drei in „tiefem
Schlafe", aus welchem sie jedoch der Engel dnrch Berührung mit seinem „goldenen Stabe"
weckt. Staunend vernehmen sie seinen Ruf: „(Zloria, in excelsis vec>!- und den Bericht
vom Wunder zu Bethlehem. Hierauf singen sie gemeinsam eines von den lieblichen
Hirtenliedern, deren Motive echt volksthümlich sind. Da „gucken" sie z. B. zum Himmel
auf, wo es heute so lustig „hergeht", als thät man droben den „Fasching loben". Sie
wollen dem Kindlein im Stalle allerlei Opfer bringen, der eine ein „zeckfeistes" Lämmchen,
der andere ein neues rothes „Jankerl" (Jäckchen), der dritte seine schöne Kohlmeise
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317