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und früh reden lernt. Das Krösengeld gilt als unantastbar, es bildet ja die Grundlage
aller späteren Ersparnisse. In die Krösenbüchse legt die Mutter auch ein Stückchen von der
Nabelschnur des Kindes mit einem rothen oder blauen Bändchen geziert, weiter ein
„Amas-Dedl" (^Anus voi) das ist ein geweihtes irdenes Medaillon oder sonst ein
Heiligenbildchen.
Das Taufmahl („Kindlmahl") wird fast überall im Elternhause des Täuflings
gehalten und dazu werden nebst den Pathen auch Nachbarsleute und „Freunde" (Verwandte),
nicht selten auch der Geistliche und der Schullehrer (dieser früher als Meßuer) geladen.
Den Gevatterslenten obliegen gegenüber der Wöchnerin und dem Pathenkinde mehrere
Verpflichtungen. Da ist besonders zu erwähnen die „Zutrag" oder das „Weiset". Die
Gevatterin bringt nämlich der Mutter das „Sechswochenbrod", welches aus Semmeln,
Zwieback und Candiszucker besteht, womit der Sauglappen („Sntzel", „Zutzel", „Schlotzer")
des Kindes gefüllt wird.
Im Laufe des ersten oder zweiten Jahres nach der Geburt wird das Kind von den
Pathen mit dem „Wutzelgewaud" beschenkt, welches zumeist aus einem Kleidchen,
Hemdchen und Häubchen besteht. Als letzte Gabe bekommt der kleine Pathe im Alter
von 6 bis 12 Jahren (je nach der Gegend verschieden) das „Godlgewand" und einiges
Geld. Das Pathenhemd ist meist so groß zugeschnitten, daß es nicht sofort in Verwendung
kommen kann, sondern erst als „Hochzeitshemd", wozu es oft von Anfang her bestimmt ist,
getragen wird. Stirbt das Pathenkind vor dem Ausgewanden, so haben die Gödenlente
die ganzen Begräbnißkosten zu tragen. Für diese und andere Opfer und Verpflichtungen,
namentlich auch für die Sorge und Theilnahme, welche die Pathen ihrem Schützlinge in
den verschiedensten Lagen des Lebens zuwenden, werden sie bei jeder Gelegenheit mit
besonderer Auszeichnung behandelt. Heiratet der junge Göd, oder wird er Priester, oder
stirbt er, so nehmen die Pathen beim Hochzeits-, Primiz- oder Todtenmahl die ersten
Ehrensitze ein. Die Gevattersleute ihrzeu einander, was bei unserem Landvolke indeß die
Ansprache in der dritten Person bedeutet. Ein Mann soll jedesmal, wenn er an seines
Gevatters Haus vorübergeht, den Hut abnehmen.
Mancherlei Gefahren bedrohen das neugeborene Kind. So lange es nicht getauft
ist, kann es gar leicht von einer Hexe oder, wie man im Gebirge glaubt, von einem Wild-
fräulein mit einem Wechselbalge vertauscht oder von der „Trnd" angesaugt werden, welch
letzteres man freilich sogleich an den aufgeschwollenen Brustwärzchen erkennt und für die
Zukunft durch einen auf die Wiege gezeichneten Trndenfnß hintanhalten kann. Große
Gefahr ist auch, daß das kleine Kind „verschrien", „verschaut" oder „verneidet" wird.
Besonders Menschen, deren Augenbrauen über der Nase zusammenreichen, sind zu fürchten.
Man schützt das theure Kleinod vor all diesen bösen Einflüssen, indem man, wenn man
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317