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durch den Alarmruf unterbrochen: „Die Brau t ist gestohleu!" Eiuer der Gäste
hat sie nämlich heimlich in ein Nachbarhaus eutsührt und nun muß der Brautführer
mit einigen Kameraden sich aufmachen, die Vermißte zu suchen. Der Spaß kostet ihm
manche „Maß" Wein.
Gegen Ende des Mahles wird „geweiset" oder „geweifert", das heißt die
Musikanten, die Köchin und der Wirth (letzterer, wenu die Hochzeit im Gasthanse gehalten
wird) kommen in den Speisesaal nnd heben die üblichen Geldspenden von den Gästen ein.
Dabei gibt es viel „Jux" und „Hetz'" und werden „Gstanz'ln" gesungen. Der Wirth
allerdings macht seineu Rundgang in einfach geschäftsmäßiger Weise, indem er von Gast
zu Gast gehend das „Tafelgeld" einsammelt, das ist den für das Besteck bedungenen
Preis, welcher bei gewöhnlichen Hochzeiten ungefähr vier Gulden beträgt. An Stelle des
Wirthes „weifert" öfter auch eiue von ihm damit betraute Person. Auf besonders lustige
Art geschieht das Weisern seitens der Köchin. Man verspürt erst im Saale einen Brand-
geruch und fragt nach der Ursache desselben. Da kommt der Heiratsmann oder der
Brautführer mit einem halbverkohlten „Küchenfetzen" (Lappen) zur Thüre herein und mit
ihrem Patrone meist zugleich auch die Köchin; oft hält diese selbst in der einen Hand den
rauchenden Fetzen, in der andern einen Schöpflöffel zum „Löschen des Brandes". Da
wird nun gejammert, daß der Unglücklichen die Schürze oder der „Kittel" in der Küche
verbrannt sei und sie nun das Geld nicht habe, den Schaden zn ersetzen. Zuweilen verlangt
der Heiratsmann von den Gästen eine lächerlich hohe Summe! doch die letzteren „handeln"
nnd schließlich gibt jeder nur das übliche Scherflein. In der Umgebung des Schneeberges
tritt statt der Köchin gewöhnlich ein mit glimmendem Werg behängter Mann auf. Im
Erlafthale geht die Köchin hier und dort schon acht Tage vor der Hochzeit in die Häuser
„weisern".
Noch lustiger geht es zu, weuu die Musikanten um ihr „Weisert" kommen. Im
Hornerwalde (B. O. M. B.) hält der Heiratsmaun zu ihreu Gunsten eine Anrede an die
Gäste, worin er ihnen begreiflich macht, daß die „Spielleute" bei solcher „Strapazirung"
ihrer Instrumente Geld für „neue Saiten" brauchen. Ein Musikant tritt vor und reicht
Wein, öfter auch Glühweiu, um die Gäste „splendid" zu stimmen. Allein der Wein wird
„verschnupft", auch die „elende" Musik, und nur Kreuzer falle» auf die Sammeltasse.
Doch bald „bessern" sich die Gäste, zumal sie auch einen auf eine Gabel gespießten Gulden
als Wahrzeichen erblicken. Zu Puchberg am Schneeberg geht ein Musikant als Doctor
herum und preist seinen „heilkräftigen" Wein an — gegen gnte Bezahlung. Am Wechsel
erzählt ein Musikant, oft maskirt, der Braut unter allgemeinem Gelächter die „Spiel-
manus-Lug'" oder eine „gedruckte", das ist handgreifliche Lüge. Dafür empfängt er ein
Trinkgeld, aber in viele, viele kleine Lappen eingewickelt, welche mit unzähligen Fäden
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317