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Nun tritt der Redner zum Tische vor die Braut hin und spricht:
Ist die Braut g'snnd und frisch, Geb' sie aber Acht,
Daß sie koan' schlechten Tritt nit macht,
Sonst wird die ehrsam' Jungfrau Braut gestraft
Um an Eimer Landwein,
Um an Eimer Branntwein,
Um a Bäckerkreinz'n** voll Kipfl,
Da kriagt Jeder a Zipfl."
So kommt sie über den Tisch;
Ist sie frisch und wohlgemnth.
So springt sie über meinen schwarzbraunen
Federhut;
Ist sie aber matt und krank, *
So kommt sie nach der Bank.
Ähnliche Strafe droht, wenn die Braut „mit'm linken Fnaß für den rechten tritt".
Um dem vorzubeugen, hat der Redner vier Wächter aufgestellt: „Oan' z'Wean, oan' z'Graz,
oan' z'Fürsteufeld — Und den vierten gar mitten in der Welt".
Nun muß die Brau t auf den Tisch steigen und mitten zwischen Schüsseln,
Teller, Flaschen und Trinkgläser hindurch auf den Heiratsinann oder Brautführer zugehen,
ohne jedoch dabei ein Gefäß umzustoßen, denn dies würde einen Schatten auf ihren
Jungfrauenkranz werfen, auch sonst kein glückliches Vorzeichen für die Ehe sein, besonders
hinsichtlich des Kindersegens. Im V. U. W. W. muß sie auch über den „Federhut" des
Brautführers steigen. Da gibt es nun unter den Gästen immer den einen oder anderen,
welcher unbemerkt ein volles Trinkglas umstößt, was natürlich unter allgemeinem Gelächter
auf die Braut geschoben wird. Am Wechsel sucht die „Brautmutter" ihrem Schützling auf
dem Tische möglichst freie Bahn zu machen. Ist die Braut nicht Jungfrau, so geht sie
längs der Bank von ihrem Platze. Diese Hochzeitssitte ist in den meisten Gegenden Nieder-
österreichs bekannt, nur im oberen Theile des V. O. W. W. findet sie sich nirgends. Die
Brautaufforderung ist die Einleitung zu den „Ehrentänzen", welche in derselben Ordnung
gehalten werden wie im V. O. W. W, nur eben nicht, wie dort, schon am Vormittage.
Vor oder auch nach Mitternacht, wenn die Gesellschaft in der heitersten Stimmung ist,
treten gewöhnlich maskirte Bursche („die Maskerer") auf, welche dem Brautführer
einen „Paß" vorzeigen müssen, dessen Inhalt viel komisches, tolles Zeug enthält. Wird er
für gut befunden, so dürfen die Masken drei Tänze machen, wobei die Hochzeitsgäste
Zuschauer sind. Den ihnen gereichten Wein müssen die „Maskerer" am Wechsel aus
Strohhalmen schlürfen.
Meist um zwölf Uhr Nachts oder auch gegeu den Morgen hin folgt eine andere
Scene, welche von der Brant — wenigstens scheinbar — ernst, von den Hochzeitsgästen
aber vielfach als gar lustiger Spaß aufgefaßt wird, nämlich das „Kranzlabtanzen".
Im V. O. W. W. kennt man fast überall den Namen dafür, nicht aber auch die Sache.
Man „tanzt" dort Vormittags das „Kranzl ab", welches die Braut indeß den ganzen Tag
* Tas ist nicht Jungfrau. ** Vuckellorb.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317