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im V. U. M. B. (um Retz) „Stückelpasser" (welche auf gute Bisse» vou der Mahlzeit
warten), im V. O. W. W, „Nachigeher" (weil sie erst später nachkommen), „Buckl-
kratzer", (weil sie hinter den Gästen stehen und für diese, weun sie nicht mehr essen können,
„einsteigen", sich „einsetze»"), oder „Alfauzer"* (nur au wenigen Orten an der ober-
österreichischen Grenze). Wo die Wirthshaushochzeiten üblich sind, wird beim „Undingen"
des Mahles auf die Schmarozer vielfach Rücksicht genommen. Im V. O. W. W. beginnt
schon nach beendigtem Mahle am Abend der Freitanz, das heißt es kommen allerlei
ungeladene Gäste, welche blos tanzen wollen und „schandenhalber" auch etwas Weniges
„zehren". Sie bekommen noch Hochzeitsstränßchen von der Kranzljnngfran, aber nicht
auch die Mädchen, welche sie mitbringen. Es finden sich oft ganze Kameradschaften ein,
darunter auch solche, welche bei dieser Gelegenheit einen alten Handel „auszuraufen" sich
vorgenommen haben und dieses Vorhaben gewöhnlich auch ausführen.
Was die Tänze unseres Landvolkes überhaupt betrifft, so sind Ländler und Polka
als die gewöhnlichsten, beliebtesten zu bezeichnen. Man tanzt aber wohl auch schon,
besonders auf dem Flachlande, Walzer, Galopp und Mazurka, in bürgerlichen Kreisen
auch Qnadrille. Man ahmt hierin eben dem Städter nach. An die Stelle des „Sechs-
schrittes" oder „Deutschen" scheint mehr und mehr der Walzer zu treten.
Ist die Hochzeit mit allen ihren Freuden und Lustbarkeiten zu Ende, so werden
die Gäste „fort-" oder „heimgeblasen"; die Musikanten begleiten die Abziehenden ein
Stück Weges und bei geringen Entfernungen anch ganz nach Hause, wofür sie gutes
Trinkgeld bekommen. Bei Gelegenheit des „Heimblasens" werden auf das junge Paar
natürlich wieder „Gstanz'lu" gesuugeu.
Die Braut zieht hier und da nicht sogleich in ihr neues Heim, sondern bleibt eine, auch
zwei und drei Wochen noch bei den Eltern und läßt sich vomBräntigam holen. (V.U. W.W.,
z. B. im Leithagebiete und am Steinfelde.) Auch bei dieser Gelegenheit wird, besonders
wenn die Braut in die Fremde heiratet, von ledigen Burschen mit einem Bande
„fürgezogen" und muß ein „Schnnrgeld" erlegt werden. Betritt die jnnge Frau ihre
künftige Behansnng, so muß sie die Schwiegereltern um Aufnahme bitten. Nin Weikers-
dorf (V. U. W. W.) thut sie das auf der Hausthürschwelle kniend. Hieranf wird sie
förmlich, ja gewissermaßen feierlich in die Küche zum Herd und von da in die Stnbe
geführt. Diese sinnvolle, die Bestimmung des Weibes als Hansfran charakterifirende
Ceremonie ist besonders am Wechsel noch gang und gäbe. Ebenso ist hier anch ein anderer
interessanter Brauch üblich. Am zweiten Tage nach der Hochzeit nämlich führen die Jung-
gesellen auf einem Halbwagen oder Heuschlitten ein kurzes dickes Holzbloch der jungen
Frau als „Wiegeuholz" ins Haus und lassen sich dafür bewirthen. (Kranichberg.)
* Das Wort kommt aus dem Italienischen aU' avau-o. zum Bortheil; hier bedeutet „Alfanzer" so viel als Näscher.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317