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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Erneuerungen, » die das Bewußtsein und den Begriff von Epoche entdeckt hat « und über deren Ende – und Nachfolge – im letz­ ten Drittel des 20. Jahrhunderts bislang noch kein Konsens herge­ stellt wurde.6 Die Untersuchung moderner Mittelalterbilder gibt also immer auch Auskunft über Befindlichkeiten der Epoche, in der sie entstanden sind. Die Verklärung des Mittelalters zum idealen Zeitalter hat ih­ ren Höhepunkt in der Romantik : Mit einer scheinbar intakten, unerschütterten religiösen Weltsicht und teleologischen Welt­ ordnung, vermeintlich unverrückbaren, weil von einem göttli­ chen Wesen bestimmten sozialen und politischen Hierarchien und einem naiven, einfachen Leben im Einklang mit der Natur konnte die zuvor noch als » dunkel « beschriebene Epoche nun als stabilisierendes Kontrastbild zu den Verunsicherungen der eige­ nen Gegenwart empfunden werden.7 Angesichts des Sturzes, zu­ mindest aber der Erschütterung jahrhundertealter politischer und religiöser Herrschaftsordnungen, sowie der tiefgreifenden gesellschaftlichen Auswirkungen neuer ökomonischer Produk­ tionsformen stand mit dem Mittelalter ein leicht zu erschließen­ des Fluchtreich bereit, in dem man geistigen Halt, soziale Ord­ nung und nicht zuletzt – gerade in deutschen Landen – zuneh­ mend auch die verlorene nationale Größe zu finden glaubte. Es waren vor allem Burgen und ihre Ruinen, die – von den om­ nipräsenten, anders konnotierten Sakralbauten abgesehen – als bauliche Zeugen aus dieser längst vergangenen Epoche in die Ge­ genwart hereinragten und – im Verein mit der Gestalt des » Rit­ ters « – rasch zu Chiffren für das Mittelalter schlechthin wurden. Die ersten modernen Burgen im deutschsprachigen Raum tauch­ ten erst kurz vor 1800 auf und hatten Bauten des englischen Go­ thic Revival wie den Landsitz Strawberry Hill zum Vorbild. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts kam es zu einer außeror­ dentlich intensiven, unterschiedlich motivierten Wiederbele­ bung des Burgenbaus. Der Wiederaufbau von Kreuzenstein mar­ kiert in diesem Kontext eine zentrale Stelle : Unter Einbeziehung zahlreicher originaler Spolien aus mehreren Ländern Europas sollte hier nämlich nicht etwa ein konkretes historisches Bau­ werk repliziert, sondern ein gleichsam ideales Modell der mittel­ alterlichen Burg schlechthin rekonstruiert werden. Der Bauherr von Kreuzenstein war nicht nur einer der popu­ lärsten Aristokraten seiner Zeit und bedeutender Kunstsamm­ ler, sondern auch Philanthrop und prominenter Förderer von Kunst und Wissenschaft. Auf der Suche nach einem Standort für ein neues Mausoleum der ursprünglich in Schlesien beheimate­ ten Familie war Hans Graf Wilczek in Leobendorf bei Korneuburg auf die Ruine der auf das 12. Jahrhundert zurückgehenden Burg 14 Zerlegung einer Zeitmaschine
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Kreuzenstein
Subtitle
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Author
Andreas Nierhaus
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
258

Table of contents

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und BauhĂĽtte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. AuĂźenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. FrĂĽhe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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