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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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hypertrophes Juwel sitzt dieses extrovertiere Schaustück in der ansonsten schmucklosen Südseite. Nicht weniger als 18 mittelal­ terliche Reliefs sind als Spolien in die Wände eingelassen.366 Bei­ nahe überdeutlich ist die Gestaltung dieser Nische, die auch zeit­ genössische Anregungen verarbeitet,367 auf die Architektur von San Marco in Venedig bezogen : Die ineinander gestaffelten Arka­ denebenen übersetzen die Wandgliederung des zweiten Jochs im Obergeschoß der Südfassade des Markusdomes ins Tiefenräumli­ che, der große Bogen mit seinen kräftigen Reliefs ist ein beinahe wörtliches Zitat der Archivolte des Hauptportals der Basilika. In einem für das 19. Jahrhundert charakteristischen Verfahren wer­ den diese Verweise mit einer Adaption des » Palladio­ Motivs « verbunden, das zwar in der italienischen Renaissance etabliert wurde, nun aber mit den formalen Mitteln der Romanik verwirk­ licht wird. Camillo Sitte schreibt dazu : » So muss man sich die Söl­ ler der reichsten Burgen vorstellen, von denen in den höfischen Dichtungen berichtet wird, dass von ihnen aus die edlen Damen den Turnieren und reckenhaften Zweikämpfen der fahrenden Ritter zugesehen haben. «368 Zahlreiche Skizzen im Nachlass des Architekten Kayser, darunter ein mit 17. Dezember 1887 datierter, der Ausführung weitgehend entsprechender Entwurf, aber auch eine Variante in barocken Formen, die für einen anderen Zweck gedacht war, sind Belege für die intensive Auseinandersetzung mit diesem prominenten Motiv.369 Kontrastreich ist neben den kaum zu steigernden architektonischen, figürlichen und räum­ lichen Reichtum des Söllers mit seiner riesigen, torartigen Öff­ nung die auffällig schlichte Fassade des Gadem gesetzt, der durch einen Treppengiebel als eigener Bauteil ausgewiesen ist. Dieser ist in der retrospektiv konstruierten Baugeschichte der Burg der vermeintlich älteste Teil der Anlage, da man » seine, für das 12. bis 13. Jahrhundert angenommene Ausführung an der nahezu fens­ terlosen Bauflucht gegenüber dem Zwinger und an der massigen Erscheinung dem Burghofe zu « erkenne : » Dementsprechend sind auch seine Mauern aus Buckelsteinen beziehungsweise Qua­ dersteinen mit tiefliegenden Fugen ausgeführt. «370 Eine lang ge­ streckte, durch Erker gegliederte Wehrmauer, hinter der sich der Zwinger verbirgt, führt einige Meter vor der Flucht der Südseite vom Torturm zum halbrunden Turm und verleiht so auch dieser Ansicht tiefenräumliche Qualitäten. Die gegenüber der West­ und Südseite eindeutig untergeord­ nete, durch die mit Schießscharten bestückten Mauern äußerst wehrhaft erscheinende Ostseite 〚 63 〛 wird vom mächtigen hal­ brunden Turm dominiert.371 Davor liegt ein Zwingergärtlein, das baulich als Teil eines von Zinnen bekrönten, von Erkern unter­ brochenen Wehrgangs ausgewiesen ist, der die gesamte Ost­ , 115Außenansichten
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Kreuzenstein
Subtitle
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Author
Andreas Nierhaus
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
258

Table of contents

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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